Donnerstag, 6. August 2020

TSR-Klassiker: Dragons of Flame

Jawollja: Heute also Zugfahren, und ganz ohne Maskenpflicht. Wobei; diese Analogie hinkt. Nach dem wirklich erstklassigen Auftaktmodul Dragons of Despair fabrizierte der von mir eigentlich hochgeschätzte Douglas Niles 1984 mit diesem Nachfolge-Modul ein astreines Zugunglück.
Die Drakonier haben Solace besetzt. Die schönen Baumhäuser liegen schwarz und zertrümmert zwischen den Stümpfen der mächtigen Vallenwood-Bäume. Kapak-Drakonier, bewaffnet mit vergifteten Klingen, zwingen den Überlebenden ein brutales Besatzungsregime auf. Und Solace ist nur ein Vorposten. Die gesamten Ebenen werden von den Drachenarmeen kontrolliert. Nur das Elfenreich Qualinesti leistet Widerstand. Die restlichen Bewohner der Ebene leiden, und große Sklavenkarawanen verschleppen Hunderte in die Kerker der Feste Pax Tharkas.
In dieser Railroad-Orgie – und ja, es ist sehr schlimm – verbirgt sich allerdings ein spannendes und durchdachtes Modul, das in vielen Aspekten Niles‘ Können beweist. Daher wird diese Besprechung ein wenig anders als sonst. Wir schauen uns nicht nur das Modul an, sondern ich werde auch versuchen, es von seinen Fesseln zu befreien. Daher, wie üblich, die Warnung: Spoiler ahead! Sogar noch mehr als sonst.

Das Material

Cooles Cover, das Verminaard, seinen Drachen Ember / Pyros, den Goblinführer Toede und den nervigsten Charakter aller Zeiten, Tasslehoff Burrfoot, zeigt. Harold Johnson hat ihn erfunden, und mit ihm das ganze verfluchte Kender-Gesindel.

Die Innenseite des Umschlags ziert eine isometrische Karte der Feste Pax Tharkas von Diesel. Das 32-seitige Heft umfaßt die Kapitel 5 bis 10 der Chroniken der Drachenlanze. Es ist spärlich, aber angemessen illustriert (Jeff Easley), das Layout ist klar und gut lesbar, die farbige Landkarte weist gediegenen Hex-Stil auf. Zur deutschen Übersetzung kann ich nichts Sicheres sagen, die habe ich schon vor Jahren verkauft, aber ich erinnere mich, daß sie wohl zumindest lesbar war.

Auf blitzenden Schienen

"Es liegt etwas Knechtisches in Zwang und Strenge." - Michel de Montaigne

Nach den Ereignissen in Xak Tsaroth machen sich die Helden auf die Heimreise nach Solace. Ihr Weg führt über die Ebenen und sie sehen die Verwüstungen der Drachenarmeen. Sollten die Helden nicht nach Solace wollen, werden sie von zwei alten, roten Drachen und deren Reitern einkassiert. „Sollten die SC den Weg ihres Schicksal verlassen oder trödeln, bringt diese Begegnung sie zurück auf ihren Weg.“

Damit ist doch schon alles gesagt, oder? In diesem Modul ist der DM nicht mehr als ein Handlanger des Designers. Zumal „trödeln“ nicht mal schlimm wäre, denn das Modul kennt keine tickende Uhr.





Seufz.

Weiter. Wir kehren zurück nach Solace, sehen Zerstörung und Grausamkeit der Besatzer. Daraufhin kehren wir im Inn of the Last Home ein. Wir treffen Schankmaid Tika Waylan wieder, dann gibt es Ärger wegen eines Elfen. Egal wie wir uns hier verhalten, wir werden verhaftet und in den Käfigwagen einer Sklavenkarawane gesperrt. Nun folgt die Reise der Karawane und der gefangene Elf – Prinz Gilthanas – drückt uns eine Menge Exposition aufs Auge. Dann tauchen elfische Freiheitskämpfer auf und greifen die Karawane an. Wir dürfen etwas schnetzeln und fliehen dann mit den Elfen nach Qualinesti. Wir werden freundlich empfangen und lernen Laurana kennen, die wunderschöne Elfenprinzessin. Japp. Sie wird bald entführt.



Im Rat von Elrond Hohen Rat textet uns dann der Elfenhäuptling mit mehr Exposition zu. Elfen reden viel. In diesem Modul gibt es Unmengen Kästen mit Vorlesetext, große Kästen. Im Rat erhalten wir die eigentliche Queste: In den Minen von Pax Tharkas schürfen Sklaven Eisenerz für die Bösen, weil man ihre Frauen und Kinder als Geiseln hält. Gleichzeitig soll die Verwirrung, die so ausgelöst wird, es den Qualinesti ermöglichen, vor dem tödlichen Zangenangriff der Drachenarmeen zu evakuieren. Das klingt cool. Ist der Rat beendet, darf der Spielleiter singen. „Zu diesem Zeitpunkt kannst Du das Lied ‚Elvenhome‘ auf Seite 16 singen oder vorlesen.“ Zwischenzeitlich hat man die Prinzessin entführt, so als weiterer Anreiz.

Und wenn wir uns weigern? Dann wird alles in Schutt und Asche fallen, die Helden werden zu Gejagten, die immer wieder mit bösen Drakoniern konfrontiert werden. „Diese Begegnungen finden jede Stunde statt, bis die SC tot sind.“

Aaaaaarrrrgh!

Der coole Teil

"Why do I sense we've picked up another pathetic life form?" - Obi Wan Kenobi

Um uns in die Feste Pax Tharkas einzuschleichen, wird uns der Elfenprinz, der jetzt auch als SC geführt werden kann, durch die alten Gräber der Sla Mori führen. Unterwegs dahin sammeln wir eine weitere armselige Existenz auf, Eben, der sich in die Gruppe schleicht und sie im nächsten Modul verraten wird. Die Sla Mori sind ein nettes kleines Dungeon. Man kann eine legendäre Waffe erbeuten, ein wenig schnetzeln. Tut gut nach dem ganzen Rumgequatsche.

Und dann, auf Seite 22, sind wir in Pax Tharkas. Unser Ziel: Frauen und Kinder befreien, auf daß sich die männlichen Sklaven erheben können. Ein geschlossenes Weltbild gibt dem Tag Struktur :). Neben einem Haufen Wachen residieren hier noch Verminaard, sein Drachen Ember und das Kindermädchen der Geiseln, ein weiterer roter Drache, Flamestrike. Hier also gilt es mit List und Verschlagenheit vorzugehen. Die Anlage ist gut und logisch aufgebaut, inklusive einiger Mechanismen, die sehr hilfreich sein können. Nebenbei finden wir hier Elistan und können auch Prinzessin Laurana befreien. Es gibt viel zu tun. Nicht so schön ist, daß den SC mehr oder minder direkt ein Vorgehen aus NSC-Mund nahegelegt wird, und wir einen weiteren NSC retten, der später in der Serie Bedeutung erlangen wird.

Wenn alles glattgeht, entkommen wir mit 800 Geiseln und Sklaven in die Wildnis, während hinter uns die Drachen Flamestrike und Ember erbittert miteinander am Himmel kämpfen.

Wie es sich spielt


Laßt, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren! – Dante

I hated every f***ing minute of it. Bis man an den guten Teil des Moduls kommt, hat einem die brutale Mischung aus Exposition und Eisenbahn jedes einzelne Molekül Serotonin aus der Seele gebrannt. Ich mache Dragon of Flames dafür verantwortlich, das ich als Spieler auf Railroading jeder Art, auch nur auf den Verdacht, sehr arschlochig reagiere. Ich arbeite daran.

Fazit

In der vorliegenden Form für Spieler unzumutbar. Niles mußte einen Mittelteil innerhalb der Sage schreiben und versuchte erfolgreich ein Modul mit Anfang – Mitte – Ende und einem Spannungsbogen zu entwickeln, das zugleich als Brücke dienen konnte. Er erkauft es jedoch mit schwerer Spielergängelei, die teilweise nicht mal nötig ist, um den Plot voranzubringen. Es scheint, als habe Niles zusätzlich auch noch an Plotverweigerern und/oder Murder-Hobos gelitten, so daß er davon ausging, Spieler unter absoluter Kontrolle halten zu müssen. Die Leichtigkeit, mit der Hickmann seine Plots meistens „durchsetzte“, ist hier völlig verloren.

Grauenvoll, setzen, Sechs, Mr. Niles! (Hier kann man es kaufen.)

Raus mit den Schienen

Folgendes gilt für die gesamte Drachenlanze-Saga, wenn man sie denn spielen möchte.

  • Ich kann das nicht genug betonen: Spielt nicht mit den offiziellen Helden, also Raistlin & Co! Schafft euch eure eigenen, wobei „Held“ ernstgenommen werden sollte.
  • Ganz ohne Schienen geht es nicht. Also trefft die Vereinbarung, daß der SL zu Beginn eines Moduls das erste Ziel vorgibt und die Gruppe es anstrebt.
  • Kender existieren nicht. Basta.

Konkret im Modul sind folgende Problemstellen entschärfbar.

Wenn der SL als erstes Ziel Solace angibt, muß er die Spieler nicht dorthin peitschen, denn vereinbarungsgemäß nehmen sie das erste Ziel eines Moduls an.

In Solace muß nicht die ganze Gruppe festgesetzt werden. Das ist sogar kontraproduktiv. Ein einziger SC reicht, und das sollte sich in einer besetzten Stadt ohne Mühe erreichen lassen. Man kann genug Szenen einbauen, die einen rechtschaffenen Charakter zum Eingreifen zwingen. Tika sollte man rauslassen, es sei denn, der SL jongliert gerne mit vielen NSC. Elistan sitzt auch nicht im Käfig.

Jetzt kann die Gruppe sehen, wie sie ihren Kameraden aus einer schwer bewachten Sklavenkarawane befreit. Die Exposition durch Gilthanas – die notwendig ist – wird dann aufgelockert durch die Bemühungen der Helden draußen. Vielleicht stoßen diese ja auch auf die elfischen Freiheitskämpfer, die die Gruppe mit einem gewissen Mißtrauen betrachten. Wird der SC befreit, egal ob mit oder ohne Elfen, dann kommen auch Gilthanas und der (später wichtige) Schmied mit (und ggf. Tika). Die Gegend steckt voller Feinde, da ist es naheliegend, zunächst mit dem Prinzen zu den Elfen zu fliehen, und eine Belohnung ist ja vielleicht auch drin.

Solchermaßen nicht ein bis zwei Abende lang zu weitgehender Passivität verdammt, kann man dann auch den Hohen Rat in Qualinost leicht ertragen. Da niemand Tanis spielt, wird auch niemand mit der Elfenprinzessin „verlobt“ sein. Ich führte damals Tanis, und diese plötzliche Enthüllung meiner Vergangenheit hat mich tierisch angefressen. Laurana kann stattdessen dankbar mit einem SC flirten, der für sowas empfänglich ist. Wird sie nach ihrer Entführung von den Helden befreit, wandelt sich ihr Flirt zu oberflächlicher Verliebtheit.

Auf dem Weg zur Sla-Mori begegnet man Eben Shatterstone. Sollten die SC ihn umlegen wollen (dafür gäbe es Gründe), soll man den berüchtigten „obskuren Tod“ nutzen, damit Eben im Nachfolgemodul auftauchen kann. Vollkommen unnötig. Seine Rolle in DL3 kann irgend ein anderer SC genauso übernehmen.

In der Feste selbst werden die Geiseln garantiert NICHT den SC erzählen, wie sie vorgehen sollen. Sie geben brav ihre Infos weiter, aber die Spieler müssen schon selbst ihr Vorgehen ausbaldowern. Elistan sollte am vorgegebenen Ort sein, aber wie die SC mit ihm umgehen, bleibt ihnen überlassen. Sollte er sterben, übernimmt ein anderer SC seine Rolle im Folgemodul.

Et voilà. So ist es spielbar, solange die Gruppe nicht aus Plotverweigerern und / oder Murder-Hobos besteht.


Bullshit-Index: 0.09

3 Kommentare:

Rorschachhamster hat gesagt…

Naja, ich weiß nicht, warum man sich überhaupt die Mühe machen sollte, es umzubauen, anstatt es als Steinbruch zu nutzen.
Die Karten sind klasse. ;)

ghoul hat gesagt…

Ich hoffe du fährst häufiger Zug!
Finde deine Leidensberichte / Rezensionen lesenswert. Und es erinnert mich daran, dass ich ja irgendwann noch "Drachenlanze - der 30-jährige Krieg" leiten möchte.

TheShadow hat gesagt…

https://tagschatten.blogspot.com/2020/08/ja-warum-eigentlich-und-wenn-ja-wie.html

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