Oh, Goodie, you're sooo f****g brillant.
Ich will Kühe
Flags sollen helfen, diese Bedürfnisse zu identifizieren. Es möge der Spieler Zettel einreichen, wo er drei Wünsche für das Kommende formuliert. Ist oft keine gute Wahl, denn Spieler (vor allem die sturen Traditionellen wie ich) haben mit so was Schwierigkeiten. Dann kriegst Du einen Zettel: "Epische Abenteuer, wilde Fluchten, Kühe." Ja. Was versteht der unter "episches Abenteuer"? Oder man solle Listen austeilen mit Flags zum Ankreuzen, oder Fragebögen mit Prinzipien, Leidenschaften, besonderen Fähigkeiten.
Man solle also einen "Flaggenbogen" des Spielers / Charakters haben. Wie immer, sobald sich Rollo-Theos einem durchaus interessanten Komplex annähern, enden wir rasch in verkopfter Unspielbarkeit. Die Herren und Damen wundern sich dann (hier etwas angestaubt auf dem Edalon-Blog):
Im Laufe der Zeit musste ich jedoch feststellen, dass der Ansatz recht theoretisch ist. (...) Die in der Flag-Framing-Theorie beschriebenen Flaggen sind jedoch häufig nicht so eindeutig auszumachen. Fragebögen, die bei der Suche helfen sollen, kommen bei den Spielern nicht besonders gut an und werden oft nur oberflächlich beantwortet.Meist geht man dann den einmal eingeschlagenen, falschen Weg weiter und haut ihn noch mehr zu. Im obigen Beispiel werden dann allen Ernstes ausführliche "Einzelgespräche" erwogen. So wird dann aus der RSP-Session bald eine Gruppentherapie, um über "Bedürfnisse" zu sprechen.
Halllllooooooo! McFly! Jemand zu Hause?!
Vom Bogenversteher...
Ein Flaggenbogen existiert seit den Anfängen des Rollenspiels. Man nennt ihn Charakterbogen. Denk mal nach: Die Erschaffung des Charakters ist der Moment, wo sich vor dem Spiel der Spieler am Ausführlichsten mit dem befaßt, was er WILL. Er hat eine Vorstellung, er verteilt und wählt Werte nach seinen Interessen. Alles was Du als SL lernen mußt, ist seinen Charakterbogen zu lesen.
Schau Dir an, was ausgemaxt ist von den Bereichen Kämpfen / Zaubern / Wissen / Soziales, dem Heiligen Viereck der Spielinhalte. Damit hast Du die Grundtendenz des Spielers. Soziales betont? Viel Interaktion wird verlangt. Kampfsau? Alternative Formen der Interaktion bevorzugt. Wissen? Mach Dich gefaßt, das der Spieler viel über Details und Hintergründe von Plot und Setting erfahren will. Schöne Handouts ein Plus. Usw. Manche Spieler (wie ich) neigen dazu, zumindest drei Bereiche des Vierecks abzudecken, aber eines ist immer präferiert. Ausgewogene SC sind halt schwerer zu lesen, aber die Spieler sind auch meistens flexibel.
Dann lies die Details aus, Nahkämpfer, Fernkämpfer, Spezialisierung auf eleganter Waffe, grober Waffe, brutal-dreckiger Muahahaha-Waffe? Schutzzauber und Heilzauber vs. Offensivmagie? Auf diese Weise bekommst Du mehr Details zum Wie der Spieler seine Ziele erreichen will. Merkmalssysteme (Vorteile / Nachteile) sind hier ungeheuer nützlich, oft werden sie nämlich nach "paßt" ausgewählt.
Erkennst Du einen Optimierer (Nachteile wie "Breiphobie" und "Kann Hunden nicht böse sein") vergiß es. Der optimiert mit nichtssagenden Larifari-Nachteilen, was Dir wiederum verrät, was er will: Macht. Regelkonzentration. Er will fähig sein.
Nutze Bogen (und Hintergrund) um das Was (Was will der Spieler?) und das Wie zu erkennen (Wie will er es erreichen?). Erst wenn Du das hast, kannst Du noch explizit nach Wunschvorstellungen fragen, dann hast Du nämlich einen Rahmen, diese Äußerungen einzupassen. Halte das aber kurz. Teile keinen Fragebogen aus. Never ever.
...zum Spielerflüsterer
Bedürfnisse im Spiel zu verwenden, heißt jetzt NICHT, ständig darauf fixiert zu sein. Zunächst, nachdem Du sie identifiziert hast, schau Dir mal an, was Du vorbereitet hast, und schau, wie Du es allen zentralen Bedürfnissen ein wenig "rechter" machen kannst.
- Du hast ein Kampf- und Intrigenabenteuer in der Stadt, aber auch zwei Wildnischaraktere? Okay, einige Hinweise vielleicht nicht bei den Schmugglern im Hafen, sondern bei den Schmugglern 100 Meilen flußaufwärts jenseits der saugefährlichen Grimmsteppen verbergen.
- Im selben Abenteuer hast Du einen Spieler, der auf moralische Grauzonen steht und das Dilemma sucht? Hey, Dein Oberschurke vergißt sein sadistisches Lachen. Eigentlich macht er alles nur, weil sonst ein noch oberer Schurke sein Kaninchen töten wird. (Oder so). Er ist auch ein Opfer.
- Eine Gruppe, die Gutes tun will, soll Gräber plündern? Ist vielleicht ein suboptimaler Ansatz. Die wollen weniger looten, mehr moralisch spielen. Hier mußt Du grundlegend umarbeiten.
- Ein Spieler hat "Erzfeind: Ork" auf den Bogen gesetzt? Vielleicht kannst Du die eine oder andere Begegnung einpassen. Oder der Oberschurke hat eine Rechte Hand, einen besonders cleveren, tödlichen Ork.
- Du spielst eine Kampagne, in der Schurken ein altes Böses befreien wollen und ein Spieler hat Interesse an Geheimnissen der Vergangenheit? Nimm Dein vorbereitetes 08/15-Dungeon und bau es um: Das alte Böse ist in einer Pyramide eingesperrt inmitten einer versunkenen Stadt. Die Pyramide kann nur betreten werden, wenn die in den alten Tempeln verborgenen neun Hinweise richtig in Beziehung gesetzt werden. Während der Spieler enträtselt, haben die anderen Spaß dran, all das exotische Kroppzeuch zu verdreschen, das sich da rumtreibt.
- Ein Charakter hat im Hintergrund stehen, daß er Sklaverei haßt? Schau Dir den Schauplatz des Abenteuers an und guck, wie Du das in diesem Umfeld thematisieren kannst.
Mit etwas Arbeit kannst Du fast jedes Abenteuer schon im Vorfeld in die Richtung der Bedürfnisse Deiner Spieler drehen. Das geht natürlich umso einfacher, je weniger detailliert Deine Vorbereitungen sind. Umgekehrt: Je mehr Du am Tisch spontan mit den Spielern baust, desto wertvoller werden die Flags auch für Dich.
Während des Spieles mußt Du jetzt nicht zwanghaft auf Deine SC-Notizen starren und auf Gedeih und Verderb die Bedürfnisse "anspielen". Du bist kein Dienstleister (das wird der erste Satz in meinem SL-Kapitel), sondern Mitspieler, also entspann Dich und hab auch Spaß. Ja, Deine Bedürfnisse zählen genauso.
Deine Spieler sind im Spiel nämlich dafür verantwortlich, über ihre Charaktere ihre Bedürfnisse zu externalisieren, d.h., wenn es ihnen wichtig ist oder sie einen Punkt zum Einhaken sehen, erinnern sie Dich ja sowieso daran. Immerhin hast Du ja bereits gelernt, daß Zuhören eine der wichtigsten Fähigkeiten des Spielleiters ist. Etwas Unterstützung und Lockung schadet natürlich nie, aber Spieler sind auch dafür zuständig, das zu tun, was sie wollen, und sich nicht mit mundgerechten Häppchen "bespaßen" zu lassen.
Biete immer mal wieder Situationen an, die ihre Bedürfnisse ansprechen könnten. Der Rest liegt bei ihnen.
7 Kommentare:
Schöner Artikel. “brutal-dreckige Muahahaha-Waffe“ hat mir besonders gefallen *g*
Deine Kritik an Flaggen kann ich in sofern verstehen als man natürlich bei jeder Methode das Hirn einschalten muss. Aber dafür den Charakterbogen zu benutzen ist genau wie ich es kennengelernt habe (aus “Spielleiten“ von Dominik Wäsch). Von daher gehört das ganz normal zur Methode, denke ich.
Wobei man sich (gerade in Systemen ohnen Vor-/Nachteile oder sonstige "beschreibende" Merkmale) nicht zu sehr auf den Charakterbogen stützen sollte, weil Spieler oft auch Sachen skillen, die sie vermeiden wollen.
@Jan: Den Wäsch muß ich mir irgendwann mal zu Gemüte führen.
@Alecandro: Ja, das stimmt. Besonders verloren bist Du natürlich mit "Old-School-"Bögen à la BEAM-D&D. Andererseits ist da die Grundtendenz oft klar...
Nachtrag: Das war keine Kritik an Flags, sondern daran, daß behauptet wurde, das sei neu und aufregend. Isses nicht. War es nicht.
Gutes (=spaßiges) Spielleiten 2012 unterscheidet sich nicht von gutem, (=spaßigem) Spielleiten 1985. Mir geht diese Vereinnahmung auf den Sack.
Bieter mir ein Spiel Breiphobie und kann hunden nicht boese sein als Nachteile an nehm ich die. Selber schuld. ;)
Und frohe Weihnachten!!!!
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