Donnerstag, 2. Oktober 2014

TSR-Klassiker: B10 Night's Dark Terror

Jedem D&D-Spieler ist heute die Known World bekannt, Mystara. 1986? Nicht so sehr. Es gab einige Hinweise im Expert Set und dann noch Modul X10 Red Arrow Black Shield, das einen sehr groben Überblick gegeben hatte*. Nights Dark Terror war das erste Basic-Modul, das sich wonnevoll in das Setting warf, es aufnahm und weiterentwickelte. Dieses Modul stellt eines der Fundamente der späteren Gazeteer-Reihe dar, und das zu einer Zeit, als sich TSR noch immer vor Settingbänden drückte.

Zum zwoten ist Nights Dark Terror ein Übergangsmodul. Es nimmt eine Gruppe der 4. Stufe an der Hand, zieht sie aus dem dunklen Höhleneingang und weist mit breiter Geste in die Landschaft, die sich ungezähmt unter dem Himmel erstreckt. Eine bessere Einführung ins Thema Wildnisabenteuer mit D&D gibt es nicht, und man benötigt nicht einmal das Experten-Set dazu, das dafür vorgesehen war.

Zum dritten ist es ein verflucht gutes Abenteuer, wie sie heute eigentlich nicht mehr geschrieben werden, und von denen es auch damals zuwenige gab.

Das Abenteuer

Barely one day's march from Kelven, the uncharted tracts of the Dymrak forest conceal horrors enough to freeze the blood of civilized folk. Those who have ventured there tell how death comes quick to the unwary—for the woods at night are far worse than any dungeon. But you are adventurers, veterans of many battles, and the call of the wild is strong. Will you answer the call, or are you afraid of the dark terrors of the night?
Rhetorische Frage. Nights Dark Terror ist jedenfalls in erster Linie ein ganz anderes Biest als die amerikanischen Module - eine komplexe Anreihung verschiedener kleiner Sandboxes, die im Zusammenspiel ein vielschichtiges Mini-Epos formen.

Das Material


10 Dollar hats damals gekostet und kam in Plastik eingeschweißt. Was hat man da bekommen? Ein Heft mit einem 54-seitigen Abenteuer, darin auch zusätzlich noch eine Menge brauchbarer Spielhilfen zum Herausnehmen (eine Settingeinführung für Spieler, Wettertabellen, Begegnungen, ein Kalender, NSC-Übersicht mit Beschreibungen...) Die Illustrationen sind natürlich s/w, aber das Design ist schön mit individuellen Kapitelheadern und schönen Führungsgrafiken (Helen Bedford). Dazu kommen noch ein Dutzend wunderbar gestaltete Karten von Geoff Wingate (einige davon wurden im späteren Warhammer FRP wiederverwendet). Das Anwesen Sukiskyn ist großformatig dargestellt und kommt mit einem Bogen Ausstanzcounter, um die Belagerung darstellen zu können.

Das ist eine ganze Menge Zeug, dazu noch von hoher Qualität.


Wie es sich spielt

Fun und für die Spieler sehr belohnend. Die Handschrift des Designer-Teams wird deutlich: Jim Bambra, Graeme Morris und Phil Gallagher zeichneten verantwortlich, und die strukturelle Nähe zu Warhammer-Modulen (insbesondere zum genialen Death on the Reik) ist offenkundig, auch in der Betonung der NSC-Motivationen.

Und das Böse lauert immer im Wald.

Das Modul führt die Gruppe in mehreren Episoden durch den Osten des Großherzogtums Karameikos. Ein (auszubessender) Handlungshaken bringt die Gruppe initial zu einem befestigten Anwesen namens Sukiskyn, um das ein wilder Kampf entbrennt, als es von Wilden (in diesem Falle Goblins) angegriffen wird. Es schließt sich eine Suche-in-der-Sandbox nach ihrem verschleppten Auftraggeber an. Dieser Teil ist vollkommen frei, auch wenn die SC ein Ziel haben, nämlich diesen Mann. Es folgt der Wendepunkt ca. in der Modulmitte, als die SC in einer Ruinenstadt auf den Drahtzieher treffen, einen Magier, der der Sklavenhändlerbande des Eisernen Rings angehört. Diese ist auf der Suche nach einem Teppich mit der Karte zu einer verlorenen Zivilisation in einem verlorenen Tal...

Es folgen einige weniger freie aber auch freie Episoden, in denen der Eiserne Ring sich immer wieder gegen die Abenteurer stellt. Schwellental (Treshold), die im Expertenset beschriebene Stadt, hat endlich einmal einen würdigen Auftritt und verbreitet schon fast eine warhammereske Düsternis. Schließlich, nach einer anstrengenden und wiederum freien Wanderung durch die Schwarzen Spitzen erreicht man das Verlorene Tal. Dort warten antike Rätsel und einige happige Begegnungen auf die SC.

Fazit

Nights Dark Terror ist ein weiteres Argument dafür, daß die besten Jahre für (A)D&D zwischen 1983 und 1986 lagen und die beste (A)D&D-Inkarnation sich in der Gestalt der Mentzer-Fassung zeigte. In Night's Dark Terror nimmt das Design-Team die bisherigen Ansätze von "Wildnisabenteuern" - i.e. Hex Crawl und Perlenschnur - und verbindet sie zu einer Kombination, die eine vielschichtige, über mehrere Episoden tragende Geschichte ergibt, ohne in großem Maße einzuengen. Man mag einwenden, daß es an einigen Scharnieren zwischen den Plotteilen knirscht - z.B. die gesamte Geschichte um den "Cheval", die sehr erzwungen und gekünstelt wirkt -, aber insgesamt ist das so gelungen wie Death on the Reik. Vielleicht noch besser, weil es mehr Fokus bei gleichbleibendem Freiheitsgrad zeigt.

Aber auch inhaltlich unterscheidet sich das Modul von einigen amerikanischen Vettern. So ist die komplette Handlung tief in der Vergangenheit verwurzelt, wohingegen andere Module weitgehend freihingen oder nur punktuell eine nutzbare Geschichte voranstellten (The Lost City), adäquat veilleicht, aber ohne über das Modul hinauszuweisen.

Ebenso ist ihm anzumerken, daß der (oft beschworene) Frontier Spirit von D&D hier sich ganz eigen präsentiert. Kann dieser Spirit in US-Produkten zu ausgesprochen häßlichen Skalpjägergeschichten führen, die Langeweile mit fragwürdiger Moral kreuzen (Festung im Grenzland), so zeigt sich hier eine Geschichte, wie sie von Karl May hätte erzählt werden können: Die aufrechten Siedler werden bedroht, ein Überfall, eine lange Verfolgung durch die Wildnis, eine Schatzkarte, eine gefährliche Stadt, ein verlorenes Tal... Das ist Schatz im Silbersee (abgesehen vom Inhalt des Vergessenen Tals selbst) im Fantasygewand. Auch ist klar, daß die Ziele der SC gut sind und klar definiert, und die Goblins stellen zwar die Wilden, und keine netten dazu, aber man kann ggf. auch mit ihnen verhandeln.


Es ist ein Western, ein deutscher Western. Das kann man sicher auch für Old Slayerhand nutzen, vielleicht gar für Deadlands, dann müßte man aber das Reckoning ins Verlorene Tal einbauen.

Auch als Lehrmodul macht das Stück seine Arbeit ausgezeichnet. Es gibt dem SL Spielhilfen an die Hand, erklärt, wo Erklärung not tut und fährt diesen Support gegen Ende hin immer weiter zurück, um den SL auf eigenen Beinen laufen zu lassen. Die Abenteuervorschläge am Ende, die das Setting über das Modul hinaus nutzbar machen, schlagen in dieselbe Kerbe.

Nein, sowas gibt es heute nicht mehr. Einsteigermodulde seit 1990 arbeiten nach dem unausgesprochenen Axiom, daß seine Nutzer grenzwertig schwachsinnig sind.

Als Note? Eine 1-. Es ist damit gleichauf mit Ravenloft. Ich setze Night's Dark Terror deswegen einen Platz hinter Strahd von Zarovitch, weil der Schreibstil von Bambra et al. zuweilen arg mühsam um die Ecken stelzt. Ravenloft reißt beim Lesen schon mehr mit. Ansonsten sehe ich die gleichauf. Und es ist definitiv das beste Modul für BEAM-D&D, das man kriegen kann.

Und hier kann mans als PDF erwerben, für derzeit schnöde 5 Dollar.

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*YMMV: X1, X4/X5 und auch X9 behandeln Teile von Mystara, ebenso auch B6. Aber sie sind entweder isoliert oder fragmentarisch. B10 gibt neben X10 den ersten kontextualisierten Settingeinblick.

4 Kommentare:

Ingo hat gesagt…

Schöne Besprechung - etwas viel Karl May. Diese Einschätzungen lese ich sehr gerne. Ich glaube, das Abenteuer sollte ich mir mal beschaffen.

TheShadow hat gesagt…

Für das Geld machst Du wirklich nix falsch. Was den Karl May betrifft: Gesonderter Artikel "Old Shatterhand und die Welten des Fantasy-Rollenspiels" bzw. "Winnetou, der archetypische EDO-Elf" wird folgen, sobald ich die notwendige Zeit dafür finde.

TheShadow hat gesagt…

Wie schön, daß es die Vaults noch gibt. Ich war lang nicht da. Ja, das ist zwar SEHR unübersichtlich, aber eben auch recht vollständig. Ein Überblick gibt der Noob-Guide.

http://www.pandius.com/guide/


Ich kann aber die GAZ-Reihe nur empfehlen (die es mittlerweile auch vollständig als PDF gibt, meine Hardcopies von damals sind heute sehr, sehr teuer.). Für meinen Geschmack sind die den geschwätzigen Settingbüchern von heute sehr überlegen.

Ingo hat gesagt…

Als Druckwerk ist das Abenteuer echt schwer zu bekommen (bzw. richtig teuer). Auch auf der Spiel'14 bedauerlicherweise keine Chance, obwohl ich dort zumindest ein nicht-Gygax-mäßiges Schmankerl fand. Ich sage nur DragonQuest.

Ein paar GAZ besitze ich. War ja nie ein richtiger D&D'ler, aber ich bin mir sicher, im Lager von WDS hatte ich jedes dieser Module mehr als einmal in der Hand. Manche hätte ich heute ganz gerne. Ich bleibe am Ball. Danke für die Anregung ...

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