Montag, 19. August 2013

Irrenhaus

In Ägypten putscht das Militär und k(aum)einer nennt es einen Putsch. Der demokratisch gewählte Präsident wird verhaftet, Demonstrationen blutig niedergeschlagen. Die Verfassung, immerhin vor gerade einem Jahr oder so von einer Zweidrittelmehrheit des Wahlvolkes bestätigt, wird mal eben gekippt. Der Präsident indes wird nun wahrscheinlich wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, während man den guten alten Diktator wohl entlassen wird, rein wie eine Schneeflocke.

Interessantes Demokratieverständnis.

Derweil rügt Präsident Obama, man dürfe ja wohl nicht Sicherheitsinteressen über Bürgerrecht stellen. Ja, totally nicht scheinheilig. Gleichzeitig weigert die US-Administration sich, den Putsch einen Putsch zu nennen, um die Militärhilfe nicht einstellen zu müssen. Stattdessen läßt man verlauten, man bewerte die Situation nicht, und solange sie nicht bewertet sei, solange gelte sie auch nicht als Putsch.

Und Mutti? Mutti badet wieder lau.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Man könnte noch hinzufügen, dass ElBaradei angeklagt werden soll, weil er durch seinen Rücktritt das in ihn gesetzte Vertrauen verraten habe...

Anonym hat gesagt…

Was nennen Sie denn demokratisch gewählt? Sind sie dort gewesen? Dann haben Sie wohl übersehen, wie Frauen ohne Kopftuch nicht ins Wahllokal gelassen wurden, wie die Armen auf der Straße (und davon gibt es in Ägypten leider viele) dafür bezahlt wurden, ihr Kreuzchen ins "richtige" Kästchen zu machen. Der neue Präsident hat nicht zum Wohle seines Volkes gehandelt, sondern Ägypten an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs geführt. Er hat Gelder veruntreut und in den Aufbau seiner Partei fließen lassen, während seine Landleute im Dreck verkommen, mittellos und ohne Chance auf Arbeit. Das Verfassungericht musste seine Arbeit unter Mursi einstellen, weil es unmittelbare Morddrohungen seiner Anhänger gab. Und Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber das Militär hat im Interesse des Landes gehandelt. Viele Ägypter sind gestorben, um Mubarak abzusetzen und die Demokratisierung in Gang zu setzten. Für die ist ihr Kommentar ein Schlag ins Gesicht. Es gab in Ägypten zu KEINER ZEIT einen demokratisch gewählten Präsidenten. Dieses Land braucht noch Zeit, um sich zu finden. Es hat eine Chance verdient und zwar ohne die Häme des Westens.

TheShadow hat gesagt…

Es ist sehr bedauerlich, daß Ihr Kommentar solange im Spamfilter exiliert war. Ich dachte, die Aktivierung der Sicherheitsabfrage würde das verhindern. Tatsächlich lagen aber 11 Kommentare (Ihrer war der älteste) im Spamordner, den ich heute leerte, und kein einzelner war Spam.

Daher noch einmal meine Bitte um Entschuldigung und sorry auch an alle anderen. Nach welchen Kriterien Sie in den Spamfolder rutschten, ist mir definitiv nicht klar.

Inhaltlich möchte ich nur anmerken, daß eine internationale Wahlbeobachterkommission unter Präsident Carter die Wahl "im Allgemeinen" NICHT beanstandete. Angesichts der Tatsache, daß wir Westler auch Wahlen wie die in den USA 2000 als "demokratisch" bezeichnen, sah und sehe ich keinen Grund, Mursis Wahl dieses Attribut zu verweigern.

Mit der Weisheit des Rückblicks kann ich ansonsten sagen, daß ich recht hatte. Mubarak wird eben gegen einen neuen General ausgetauscht, der im Vorfeld "seiner demokratischen" Wahlen die einzige nennenswerte Option, eben die Muslimbrüder, ruchlos ausschaltet.

Full circle. Die Gesichter wechseln, das System nicht, das neue Gesicht schminkt sich nur hübscher.

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