Montag, 25. Juni 2012

Der Spuk von Schreckensfels

So, mein erstes deutsches PF-Produkt ist in meinen Händen. Als Teil meines Honorars / Preisgelds vom letzten SaWo-Contest bin ich das Risiko mal eingegangen. Bisher kannte ich die AP-Originale von Paizo, nicht ihre deutschen Übersetzungen.

Erster Eindruck: Das Original im 1:1. Der Umsteiger aufs deutsche PF weiß also genau, was ihn erwartet. Die Übersetzung - in sehr kleiner Type, das ist nicht seniorenfreundlich - erscheint robust und kompetent von Ulrich-Alexander Schmidt und Jan Enseling durchgeführt. Vielleicht hätte man das titelgebende Harrowstone nicht so falsch-assoziierend mit "Schreckenfels" übersetzen sollen, zumal "to harrow" "plagen" bedeutet... Aber ansonsten erscheint mir die Übersetzung gut gelungen und das Korrektorat in Ordnung.


Milde Spoiler voraus.

Das Buch selbst ist ein Softcover mit über 90 Seiten. Das Artwork ist paizo-typisch nicht so meins, aber solide. Das Kartenmaterial trifft hingegen 100% meinen Geschmack und ist auch separat als Download erhältlich. Gottlob! will man ausrufen, weil ja, Softcover eben. 

Das Modul selbst ist der Auftakt zum Carrion-Crown-AP. Im obligaten Vorwort raunt es von großen literarischen Vorbildern, von Shelley, Stoker und Lovecraft. Naja, wir kennen Paizo und wissen, was uns erwartet - eher Hammer-Horror und James Whale als Literatur und das ist ja auch gut so. Aber mach halt nicht auf Musenböckchen, Wesley. (natürlich ist das unfair, Wesley spricht explizit auch vom Schauerfilm, aber das Ganze ist eben eher Varney the Vampire als Dracula.)

Das Abenteuer selbst ist solide und führt die SC auf Spuren einer unerwarteten Erbschaft in ein kleines bayrisches Dorf des 19. Jhdts wie man es sich bei Universal Films so vorgestellt hat, als die Welt noch schwarz-weiß war. Natürlich redet man nicht von Bayern. Man ist in Golarion, das Dorf heißt Ravengro, und zum James-Whale-Touch hat man noch eine gute Prise Hound of the Baskervilles in die Stimmung gerührt. Dafür heißt die nahe Universitätsstadt Leipoldstadt. Ich denke, dort erwartet uns irgendwann während des AP ein Frankenstein-Rip-Off (pun intended).

Allerlei Unheimliches geschieht in Ravengro, und dem SL wird mächtig geholfen, das zu präsentieren und die SC aufklären zu lassen. Es gibt ein dynamisches "Vertrauenssystem" mit dem das Verhältnis der Dörfler zu den SC erfaßt wird und auch sonst allerlei Nützliches für den SL. Zentral ist (natürlich) ein sauber konstruierter, gefährlicher Dungeon mit Herausforderungen, der vor allem sehr gut ins Setting eingebettet ist. Die PF-SC bibbern halt nicht wie Mythosforscher einem raschen, aber gnädigen Wahn entgegen, sie treten Ärsche. Fein.

Das Abenteuer ist handwerklich solide Kost mit guter SL-Unterstützung. Das Kartenmaterial ist wie gesagt sehr schön.

Mit dem Setting habe ich allerdings insgesamt ein Hühnchen zu rupfen, denn dieses ganze Ravengro-Dorf mit all seinen Facetten paßt überhaupt nicht nach Golarion, wie ich es aus dem Gazeteer kenne. Hier begeht mMn Paizo zum Zwecke der Topoi-Einführung (Gothic Horror) genau die Settingvermatschung, die man den Jungs von DSA immer vorwirft. Der zentrale Schauplatz ist ein Superschurkengefängnis das nach Gotham City passen würde, mit dem ich in einer EDO-Welt aber nur begrenzt was anfangen kann.

Ich bin aber auch so einer, der verschnupft auf graue Aliens am Hofe König Theodens reagieren würde.

Es folgen ein knapper Abriß über das besagte Ravengro. Die Spielhilfen zu Spukerscheinungen und das Bestiarium sind von gewohnt hoher Qualität und im Falle der Spukinfos sogar sehr anregend, das Spiel aufzuwerten. Die Kurzgeschichte / den ersten Teil des AP-Kurzromans lese ich nicht - ich finde derlei Prosa a) Platzverschwendung in einem RSP-Buch und b) bei Paizo auch noch von beklagenswerter Qualität, ich habe mir doch schon einige angetan.

Dann kommen die Karten und dann isses auch schon vorbei.

Mmmh. Das deutsche Material ist nur 3 Euro teurer als das Original, von gleicher Qualität, und das Vorliegen einer Übersetzung ist für den mit dem Englischen Hadernden natürlich ein gewaltiger Mehrwert. Selbst ich, praktisch bilingual, leite am Tisch mit deutschem Material, weniger weil ich mit der Sprache haderte, als vielmehr, weil ich sonst permanent ins Englische falle, was mir sowieso schon zu oft passiert.

Das "Brand Image" von Pathfinder spielt bei Ulisses eine große Rolle, und so ist das wie bei MacDonalds: Das deutsche Produkt ist quasi identisch zum Original. Inhaltlich finde ich das gut so, was die Präsentation angeht nicht.

Ich denke auch, das wird das größte Problem am deutschen Markt werden.

Mir wäre so ein AP lieber aufgeteilt auf zwei der Ulisses-typischen HC-Sammelbände. Gediegen, robust und im Endeffekt sogar noch etwas preiswerter (geschätzt 100 € für die Hardcover im Gegensatz zu 120 € für 6 Softcoverbände) und mit Kartentasche. Da kann man dann gleich auch den Kurzroman rausschmeißen, was immerhin 36 Seiten spart.

Das wäre schön, aber so wie es ist, ist es für den deutschen Spieler mit Fremdsprachenscheu zumindest auch gut. Auch wenn mir die Kadaverkrone nicht der vielversprechendste Adventure Path zu sein scheint, so ist das Produkt selbst solide und gut gemacht.

3 Kommentare:

Moritz hat gesagt…

Warum hast du dir nicht den Königsmacher-Pfad organisiert?

Anonym hat gesagt…

Ja, den lese ch auch begeistert. Aber SvS ist doch genau richtig, wenn man Ravenloft mal mochte, oder?

TheShadow hat gesagt…

@Moritz: Weil ich die O-Ausgabe schon besitze.

@greifenklaue: Ja, das wer der Gedanke, aber nach Ravenloft fühlt sich das halt nicht an. Zuviele Brecher drin. Hickmann hat Hammer-Horror verdammt viel besser in EDO-Fantasy eingebaut.

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