Mittwoch, 16. Januar 2013

Ein Eindruck von Conspiracy X - Teil 2

Der zweite Teil zu Conspiracy X. Ich konnte es endlich fertiglesen und sogar den Artikel schreiben (so wenig Zeit, so wenig Zeit). Der erste Teil ist übrigens hier.

Regeln

Das System ist - wie man es mir, als man mich über meinen Fehler informierte, prophezeit hatte - ziemlich generisch. W10 + Skill + Attribut vs. 9. Erfolg kennt Qualität, einfache Proben, Proben gegen Widerstand, Probenmodi, vergleichende Proben. Alles funktional, traditionell, unaufgeregt und unaufregend.

Was mich wundert sind da zwei Dinge: Zum einen wird eine würfellose Alternative gegeben. Habs jetzt nicht gelesen (RSP ohne Würfel ist für mich keines), frag mich aber, wie das nun mit dem konservativen Regelansatz vom Denken der Designer her zusammenpaßt.


Diese verraten auch an zweiter Stelle noch seltsamen Zwiespalt: Sie führen zwar Krits (10) und Patzer (1) ein, fürchten aber den destabilisierenden "unrealistischen" Einfluß. Also werden Krits über mehr als eine Seite verregelt, mit schrecklichen Dingen wie halb explodierenden Würfeln. Das wirkt fast, als habe ein klassischer Designer das Spiel gebaut, und ein Erzählspieler hechtet hinterher und versucht das "Schlimmste" zu entschärfen.

Seltsam.

Naja. Die Kampfregeln sind ebenfalls einsichtig, wenn auch die Initiative stinkt. Hier hat der Erzähler wieder die Oberhand, und der SL ist angehalten, die Ini-Reihenfolge nach Gutdünken, pardon, gesundem Menschenverstand handzuwedeln. Ja, toll.

Martial Arts nehmen einen überraschend breiten Raum ein, aber Unterstützungsfeuer, Deckungsfeuer, Granaten, Streufeuer etc. werden nicht vergessen. Der Schaden von Nahkampfwaffen ist stärkebasiert. Schaden arbeitet zwar mit Lebenspunkten, ist aber fast ein Wundsystem (ähnlich zu dem, das ich vor 15 Jahren bei AD&D 2 verwendet habe...).

Solide.

Dasselbe gilt auch für die sich anschließenden Magieregeln. In Conspiracy X verfügt jeder Charakter über einen sechsten Sinn (den mit Rhine-Karten zu testen empfohlen wird - schicke Idee). Darüberhinaus gibt es auch Voll-Telepathen mit beeindruckenden Kräften. Die Existenz kaum verhohlener schamanistischer Rituale indes ist im Genre Geschmackssache. Ich kann damit als Randerscheinung leben (wenn mich auch einiges arg an Shadowrun 1 erinnert hat, gerade in diesen Passagen.)

Setting

Wie jedes anständige Setting hat Conspiracy X auch einen ausführlichen Abschnitt über geheime Settinginformationen. Ich hätte ihn fast in die Ecke geschmissen, als ich bereits auf der ersten Seite "Adolf Hitler" und "Speer des Schicksals" las. Noch abgedroschener kann man sowas nicht beginnen.

Aber sie werden besser. Ja, es ist eine Nummernrevue, die die Top Twenty der Conspiracy Theories abgrast, aber sie ist brauchbar geschrieben und intelligent vernetzt. Da ist etliches an Abenteueraufhängern drin. Insgesamt, da muß ich mich korrigieren, folgt das aber mehr dem Muster von Dark Skies als von Akte X. Es ist in sich geschlossen und kompakt.

Gleichzeitig ist es der größte Fehler des Spiels. Es nimmt die Paranoia raus und ersetzt sie durch Spielweltfakten. Ein echtes Verschwörungsspiel - und diese meine ganz eigene Meinung sei mir gestattet - kennt keine Settingfakten. Es gibt keine Wahrheit, weil alles wahr ist, wenn auch nur zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Wahrheiten sind immer nur vorübergehend.

Sehr schön: Die Entwickler gehen hier im Ausrüstungsteil in die Vollen.

Fazit

Das System ist generisch, aber mir etwas zu fett (Stichwort "Skill Kosmetiker") geraten. Außerdem erscheint es mir auch von der Abwicklung an einigen Stellen eher träge, aber ich habs nicht ausprobiert. Einige Designentscheidungen schmecken seltsam.

Zwei sehr schöne Ideen aber sind auch drin: Die Rhine-Karten und die Strippenzieher-Merkmale. Die Hinweise zur Ausgestaltung von Basen sind auch sehr nützlich, ebenso die Alien-Tech-Artefakte und die anderen Gagdets.

Das Setting, nun... In den Kommentaren zum ersten Teil hat es jemand als "Plain Vanilla" für Verschwörungen beschrieben. Das stimmt - und auch nicht. Es ist alles drin, was einem zum Stichwort "Verschwörung" in den ersten zehn Minuten einfällt, es ist gut vernetzt.

Trotzdem geht es für mich am Thema vorbei, weil ich das Spannende am Genre im Faktor "Paranoia" sehe, der sich vor monolithischem Hintergrund schlecht einstellen kann. Auch die Core-Story (SC sind Mitglieder einer Eliteeinheit und mischen im Schattenspiel mit) halte ich für daneben. Daran leidet auch Contact (und am Regelsystem). Da wird auch zuviel "Einfinden" verschenkt, zumal das Info-Material von Conspiracy X für die Spieler im Gegensatz zum SL-Material vollkommen unspaßig ist.

Insgesamt? Nun, ich hatte nicht vor es zu spielen. An Schlachtmaterial ist einiges drin. Blöd, daß ich jetzt aber immer noch nicht Ubiquity in einem Setting, das mich anspricht, lesen konnte.


2 Kommentare:

Der Narr hat gesagt…

Dass das interessante Spielermaterial fehlt, stimmt völlig. Es hätte mehr drin sein müssen, um die Spieler heiß zu machen, AEGIS-Agenten zu spielen.

Dass es Settingfakten zu den Verschwörungstheorien gibt, finde ich nicht störend. Ich sehe es so, dass dies ausgearbeitetes Kampagnenmaterial ist, mit dem der SL arbeiten kann und ich würde für solch ein Spiel immer harte Fakten im Hintergrund wissen wollen. Deine Idealvorstellung wäre für mich eine Horrorvorstellung. Aber das scheint Geschmackssache zu sein.

Zur Initiative möchte ich noch mal sagen: Ich finde die Regel richtig gut. Es nimmt aus dem Spiel ein Stück Verwaltung, dafür gewinnt man Dynamik. Für das Spielen ohne Battlemap finde ich das ausgezeichnet, ich habe selten so aktionsreiche Kämpfe in einem nicht-taktischen System erlebt. Meiner Meinung nach hängt das damit zusammen, dass man erst völlig frei beschreiben darf, was man eigentlich vor hat und nicht zu Zeitpunkt X die Gegebenheiten Y vorliegen hat und darum entscheidet, Handlung Z vorzunehmen. Und in Streitfragen werden ja immer noch vergleichende Würfe gemacht, um den Schnelleren zu bestimmen.
Meiner Meinung nach eine der Stärken des Systems und eine meiner Lieblings-Ini-Regeln. Aber so verschieden kann man dieselben Dinge sehen.

TheShadow hat gesagt…

Deine Idealvorstellung wäre für mich eine Horrorvorstellung. Aber das scheint Geschmackssache zu sein.

:D. Scheint so.

Dein Lob der Ini-"Regel" kann ich jetzt trocken einfach nicht nachvollziehen. Muß man wohl gespielt haben (deswegen schildere ich ja auch nur "Eindrücke"). Vielleicht probier ich diese "Regel", eher diesen Ansatz, mal spontan in einem anderen System aus.

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