"Die gemeinsten Meinungen und was jedermann oft für ausgemacht hält verdienen am meisten untersucht zu werden." (Lichtenberg)
Frau Merkel ist ja bekanntlich Physikerin. Als solche verfügt sie allerdings über eine ausgesprochen verdorrte Analysefähigkeit oder über ungewöhnlich viel Perfidie. Sie hat heute zum Berliner Debakel Stellung genommen, und es war, natürlich, der Flüchtling mal wieder daran schuld, daß das "bürgerliche Lager" förmlich massakriert wurde. Was hab ich gelacht, als die Hochrechnungen kamen. Frau Merkel jedenfalls ließ heute folgendes verlauten.
Gleichzeitig ging sie auf ihre Kritiker zu: Einige hätten das Gefühl, sie treibe das Land in eine Überfremdung, dass Deutschland bald nicht mehr wiederzuerkennen sei. Es wäre unlogisch, mit Fakten zu kontern. "Ich möchte dem meinerseits mit einem Gefühl erwidern". Merkel weiter: "Ich habe das Gefühl, dass wir aus dieser Phase besser herauskommen, als wir hineingegangen sind. Deutschland wird sich in seinen Grundfesten nicht verändern. Wer, wenn nicht wir, sollte fähig sein, etwas Gutes aus dieser Zeit zu machen."Lassen wir die Präferenz der Kanzlerin für gefühlte Wirklichkeit mal beiseite, die ganz für sich übrigens auch recht beunruhigend ist. Sie impliziert hier: Gäbe es die Flüchtlingskrise nicht, dann stünde die Koalition bombig da.
Böser Flüchtling.
Überfremdung war in den beiden Wahldebakeln in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin NICHT der entscheidende Faktor. In beiden Wahlen gaben Umfragen als wahlentscheidend SOZIALE und auch wirtschaftliche Probleme an, deren Lösung der
Die CDU und bereits länger die SPD werden für eine Politik gestraft, die das Land sozial verödet, ausblutet und verarmt. Die Große Koalition und davor Rot-Grün haben diese Republik schlimmer zugerichtet, als es eine Flüchtlingswelle überhaupt könnte. Und dafür erhalten sie die Quittung. Aber die Flüchtlinge bieten der Kaste der Berufspolitiker, die offenkundig in einem Paralleluniversum leben, eine weitere Möglichkeit, kognitive Dissonanz zu betreiben.
Es ist nicht unsere scheißasoziale Politik, kann sich diese Kaste nun sagen, ein Teil der Deutschen ist einfach fremdenfeindlich und wir sind einfach weltoffen und nett. So nett. Also weiter so.
Fundamentale Kritik wird somit zu Rassismus abgewertet. SPD / CDU /Grünen sind eine Menge Wähler abgesprungen. Wäre Merkels simple Gleichung gültig ("Flüchtling wars"), dann hätten die ja alle zur AfD rennen müssen. Die meisten rannten aber NICHT zu den Neurechten. CDU und SPD haben zusammen brutto 174.000 Stimmen verloren, davon gingen weniger als die Hälfte an die AfD (63.000).
Die Vollsparren von der AfD sind ein neoliberaler Narrenball mit völkischen Stickmotiven an der Wand. Aber daß dieser Haufen ausgerechnet von dem gewählt wird, was von der "Arbeiterklasse" und vergleichbaren Milieus übrig geblieben ist, wurzelt auch weniger in der Flüchtlingspolitik, als vielmehr in der Sozialpolitik, die genau jene Klasse in die Existenzangst treibt. Misch in diese existenzielle Verunsicherung Szenen wie Köln, dann hast Du Sprengstoff, den rechte Rattenfänger ausnutzen können. Zumal diese Milieus seit Anbeginn der Bundesrepublik die schizophrene Tendenz haben, gegen ihre eigenen Interessen zu stimmen, wie es hier geschieht. Und mehr gegen eigene Interessen als für die AfD können sie nicht stimmen.
Ach ja, miese Bildungspolitik und Kürzungen bei der Bildung helfen den Rechten natürlich auch immer. Je dümmer ein Volk, desto leichter zu "führen". Und eines kann eine Rattenfängerpartei in einem Land der Ungleichheit natürlich immer nutzen: Wenn es an den Trögen eng wird, zücken die Schweine das Messer und gehen aufeinander los, statt auf die, die sie knechten.
1 Kommentar:
Natürlich sind die Flüchtlinge "schuld".
Sie haben das Scheitern "alternativloser" und visionsloser Politik im v.a. sozialpolitischen aber auch im außen-/europapolitischen Bereich offenbart.
Gesellschaftspolitisch könnte man anmerken "Wir schaffen das" - also die Integration - ist zum Bummerang geworden, weil sich gezeigt hat, dass in der Gesellschaft insgesamt eher desintegrative Tendenzen am Werk sind. (Zum Beispiel die zunehmende Differenzierung von Arm und Reich, Stadt-Land, die nicht wirklich vollzogene Integration ehemaliger "Gastarbeiter", ...)
Die AfD, in der Form wie wir sie jetzt haben, bewirkt mMn auch was sehr Gutes: Nämlich, die Wiederentdeckung, dass die politische und gesellschaftliche Debatte KERN von Demokratie ist. Wenn die Parteien das wieder verstanden haben, dann möge die AfD bitte wieder verschwinden.
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