Freitag, 14. August 2020

TSR-Klassiker: Dragons of Hope

Eure Lungen schmerzen, als ihr die bitterkalte Luft einatmet. Dichtes Schneetreiben läßt die Kharolis-Berge ringsum zu verschwommenen Schemen werden. Hinter euch liegt die böse Drachenarmee, vor euch sind fast 300 Familien, die ihr aus den Kerkern von Pax Tharkas befreit habt. Plötzlich steigen die Kriegsschreie der verfolgenden Drakonier in den grauen Himmel.
Jawoll. Es geht weiter mit der Sage der Drachenlanze, Band 3, Dragons of Hope. Mit dem Text oben geht das Modul recht direkt zur Sache, in medias res, wie der Faiseur zu parlieren pflegt.

Das Modul ist in mehrlei Hinsicht etwas besonderes. Zum einen trennen sich hier einstweilen die Wege von Spielmaterial und literarischer Verarbeitung. Weiss & Hickman umreißen die Ergebnisse von DL3 (und auch DL4) im Roman Dragons of Autumn Twilight nur kurz. Sie haben dann später die Lücken in den Lost Chronicles aufgearbeitet, aber ich empfehle SL, die sich an die Dragonlance wagen, die Chronicles-Bücher gar nicht erst zu lesen oder sie sich posthypnotisch aus dem Obergeschoss brennen zu lassen. Sorgt für entspannteres Leiten.

Zum anderen ist es für mich das großartigste Modul der Reihe. Nicht das beste, wenn man SL ist, aber das spannendste, ungewöhnlichste und überraschendste.


Das Material

Eher bescheidene Karte
Loser Umschlag, Heft mit 32 Seiten und eine beiliegende großformatige Hexkarte der Lande von Abanasinia. Der wichtigste Einzelschauplatz des Moduls ist die Festung Skullcap. Eines von Hickmanns Markenzeichen sind räumlich ausgefuchste Schauplätze, und Skullcap ist so einer. Leider fehlt eine isometrische Karte dazu, weil „Diesel“ diesmal nicht an Bord ist. Die Illustrationen (Keith Parkinson und Larry Elmore) sind solide, aber nicht spektakulär, das Cover (Parkinson) weiß zu gefallen.

Zunächst findet sich eine Einleitung mit einer Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse, der mittlerweile bekannte Überblick über die Welt Krynn und die berüchtigten SL-Tipps.
Die DRACHENLANZE erzählt eine Geschichte; Schurken und Helden gleichermaßen spielen in späteren Modulen eine wichtige Rolle. Sollte also ein wichtiger Charakter oder Schurke getötet werden, dann sorge für einen „obskuren Tod“. Ihre Leichname können nicht gefunden werden. Denk dir eine kreative Erklärung ihres „wundersamen“ Überlebens aus.
Nein. Danke. Abgesehen davon, daß das in den meisten Fällen sowieso praktisch unmöglich sein dürfte; das macht den kleinen Jesus weinen. Wir wollen ohne Beschiss auskommen und schauen am Ende dieser Besprechung, wie man das umsetzen kann.

An diesen Unsinn schließt sich dann Gehaltvolleres an: Eine Darstellung des Flüchtlingstreks aus Pax Tharkas, des gewählten Rates und der notwendigen Subsysteme zu Kampf, Hunger und Erschöpfung der Massen. Dann folgt das eigentliche Abenteuer (Seite 6 bis 27). Abgerundet wird das durch einige Monsterbeschreibungen und Stat-Karten wichtiger SC.

So ab hier Spoiler. Und meine bleiben am besten auch draußen.

Das Abenteuer

Die SC haben in Dragons of Flame fast 800 Flüchtlinge aus den Händen Feindes gerettet und stehen jetzt am Nordrand der abweisenden Dergoth-Ebene. Vor ihnen liegen Wind, Schnee und Hunger, hinter ihnen steht der Feind. Der Flüchtlingsrat beschließt, die vergessenen Hallen des Zwergenreiches Thorbardin zu suchen und dort um Aufnahme zu ersuchen. Ein langer, beschwerlicher Weg steht bevor, und auf diesem Weg wartet auch Skullcap, die Festung des verfluchten Fistandantilus...

Wie es sich spielt

Aufregend, großartig. Das Herzstück ist ein Hexcrawl vom Norden der Ebene in den Süden. Allerdings ein Hexcrawl, bei dem man sich um einen riesigen Flüchtlinsgtrek zu kümmern hat. Der Rat der Flüchtlinge zieht die SC in politische und religiöse Intrigen, und ein Spion des Drachen Highlords sitzt auch noch drin. Als wäre das alles nicht genug, hängen einem bald noch die Drakonier im Nacken, angeführt von Verminaard.
Wenn die Charaktere die Tore von Pax Tharkas in DL2 einstürzen ließen, benötigen die Drachenarmeen vier Tage, um über die Mauern zu kommen. Haben die Charaktere die in DL2 nicht einstürzen lassen, benötigen die Drachenarmeen zwei Tage, um eine Verfolgung zu organisieren.
Ab da sind sie uns auf den Fersen. Den Helden geziemt, als Scout und Jäger zu agieren, und auch als Schutz. Dabei stoßen sie auf freundliche Hügelzwerge, die ihnen Hinweise auf die Lage von Thorbardin geben können. Wir erfahren Bruchstücke des Geschichte des grausamen Zwergentor-Krieges und von Fistandantilus, stoßen auf die Spuren des verschlossenen Zwergenreichs und erreichen schließlich die verfluchte Feste Skullcap.

Am Ende des Abenteuers haben wir den Schlüssel zum Zwergenreich Thorbadin (und müssen es noch finden), und die Flüchtlinge sind an einem (vorläufig) sicheren Platz, dem Tal der Hoffnung.

Richig geleitet (und darin liegt die Schwierigkeit) wird das, was plotseitig ein simples Scharniermodul darstellt, zu einer Heldensage der verzweifelten Sorte. Hohe Einsätze in Form vieler Unschuldiger, ein erbarmungslos nachdrängender Feind, eine lebensfeindliche Umwelt und rätselhafte Spuren aus der Vergangenheit. Unser SL ließ die Flüchtlinge auch nicht als graue Masse agieren, sondern schob immer wieder Vignetten ein, die uns einzelne näher brachten. Manche wuchsen uns ans Herz. Wir verloren NSC-Freunde auf diesem erbarmungslosen Trek.

Als Spieler das beste DL-Modul, das ich spielen durfte.

Wie es sich leitet

Jaaaaaaaa. Da beginnen die Probleme. Ich habe es jetzt gelesen für diese Besprechung und muß sagen: Stünde er nicht bei den Credits und wäre Skullcap nicht drin, würde mir es im Traum nicht einfallen, daß das von Tracy Hickmann ist. Seine Module platzen normalerweise vor kreativen Details, aber der zentrale Hexcrawl in Dragons of Hope versprüht textliche Kargheit, die dem SL einiges abverlangen wird. Vielleicht, weil Hickmann für dieses Unterfangen einfach zu wenig Platz zur Verfügung stand. Jedenfalls muß der SL in der Ebene einiges selbst ausarbeiten und Zusammenhänge begreifen. Auch das Erstellen einer interessanteren Begegnungstabelle läßt sich nicht umgehen. Der Hexcrawl selbst verwendet das bewährte Format site-based Encounter mit time-based Encounter. Die meisten Begegnungen weisen dabei Potential auf.

Ungünstig ist, daß DL3 mit DL4 Dragons of Desolation eigentlich ein großes Modul bildet, und man DL4 unbedingt gelesen haben sollte, bevor man DL3 leitet. So spannend es ist, zu beobachten, wie die Welt von den Entwicklern von Modul zu Modul ausgestaltet wird, kann in DL3 die mangelnde Tiefe dem SL zum Verhängnis werden. Erst die Infos zur zwergischen Kultur und Geschichte im Nachfolgeband machen dieses Modul richtig verständlich.


Railroading ist nur wenig vorhanden. Klar, man muß a) von Pax Tharkas ins Tal der Hoffnung gelangen und b) dabei Skullcap besuchen, aber a) ist nun einfach ein Abenteuerziel wie jedes andere, und auf b) sollten die Helden bei den ganzen Informationen, die gestreut werden, von ganz alleine heiß werden. Gescriptete Momente sind vor allem im kleinen zu finden, bei einzelnen Begegnungen, insbesondere bei Fizban.

Mein letzter Minuspunkt: Fizban. Ja, ein nicht ganz unwichtiger Charakter, aber die Präsentation ist sehr... anstrengend. Gewollt komisch funktioniert für mich nie.

Fazit

In den Händen eines guten SL, der einiges an Vorarbeit hineinsteckt, ist DL3 Dragons of Hope tatsächlich ein großartiges Abenteuer für Heldencharaktere. Es ist hart, fordernd, quasi non-stop und die SC sind verantwortlich für das Überleben Hunderter. Jeder Fehler, jedes Zaudern resultiert in zivilen Verlusten, die die SC direkt erleben. Es ist viel Düsternis in diesem Modul, und einiges erinnert ein wenig an die Donner-Expedition. Umso größer Freude und Erleichterung, wenn man schließlich müde beobachtet, wie die Flüchtlinge in die vorläufige Sicherheit des Tals wanken.

Positiv ist hervorzuheben, daß die Subsysteme zur Verwaltung des Treks reibungslos funktionieren; hier werden dem SL gute Werkzeuge zur Gestaltung in die Hand gegeben.

Aber in der vorliegenden Form ist trotzdem viel Arbeit notwendig. Daher nur eine glatte Note 3.

Raus mit den Schienen

Da gibt es überraschend wenige. Einige Kleinigkeiten in den Begegnungen mit Fizban. Das sollte sich entschärfen lassen, in dem man die gescripteten Ereignisse als Anregung nimmt und ihn ansonsten als gutmütigen Wahnsinnigen flexibel spielt und den SC die Show läßt.

Einige NSC sollen auf alle Fälle nicht sterben. Das dürfte problemlos möglich sein, es sind Anführer der Flüchtlinge. Die muß man ja nicht unbedingt dem Gegner in den Weg stellen.

Die Gruppe hat Verminaard bereits in Teil 2 gekeult, daher kann er hier nicht mehr auftreten. Cool. Gute Gruppe! Und es gibt eine einfache Lösung dafür: Dray-yan.





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