Dienstag, 9. Juli 2013

TSR-Klassiker: B4 The Lost City - Die Vergessene Stadt

Scan: Olav Riediger
Ja, es hat ein bißchen gedauert, einfach weil sich vieles setzen muß, will man dieses Ungetüm auf schmalen 32 Seiten weder nostalgisch verklären, noch es einfach aufgrund seiner archaischen Golden-Age-Struktur modernistisch verdammen. The Lost City, das erste B-Modul für das damals (1982) neue Moldvay Basic-Set ist eines von drei Modulen, die Moldvay kurz hintereinander geschrieben hat, und die allesamt heute zu den Klassikern gehören: The Isle of Dread, Castle Amber und eben The Lost City.

Warning: Spoilers ahead. 

Das Abenteuer
Lost in the desert! The only hope for survival lies in a ruined city rising out of the sands. Food, water, and wealth await heroic adventurers inside an ancient pyramid ruled by a strange race of masked beings. 

Beim Versuch einer kurzen Inhaltsangabe macht sich schon bemerkbar, wie unterschiedlich die zwei vielleicht einflußreichsten Autoren des frühen (A)D&D neben Gygax, Moldvay und Hickman, entwickelten. In Rahasia haben wir einen geordneten kleinen Plot, den wir bis zum Ende zusammenfassen können. In The Lost City können wir die Ausgangsituation angeben.

Die Abenteurer, verloren in einer tödlichen Wüste, stoßen auf eine verfallene Stadt, auf eine Pyramide und schließlich auf eine unterirdische Zivilisation. Das Volk von Cynidicea befindet sich im Banne von Zargon, einem uralten, bösen Geschöpf. Während das Volk langsam ausstirbt und sich die Menschen in wache Traumwelten flüchten, arbeiten Geheimbünde gegen Zargon oder auch für ihn, vor allem aber gegeneinander. Nachdem sie Wasser und Nahrung haben - was werden die Abenteurer tun?

Wie es sich spielt

Ich habe es einmal gespielt, über mehrere Wochen vor etwa 30 Jahren. Mein Kleriker Findor starb damals schließlich im Kampf gegen einen Magier mit einer Krötenmaske. Glaub ich. Ist ein bißchen her. Sind trotzdem noch viele postive Eindrücke vorhanden.

Wie viele frühe Module ist es nichts zum Lesen und Losspielen. Es erfordert Vorbereitung. Je nachdem, welchen Fokus die SC einnehmen, viel davon. Die Anlage ist gewaltig, aber beileibe nicht vollständig beschrieben.

Was passiert, wann es passiert und wo es passiert, liegt weitgehend bei den SC. Einen Plot oder ein vorgegebenes Ziel existieren nicht. Sie können Zargon bekämpfen, alleine oder in dem sie Bewohner der Pyramide einen. Wenn ihnen danach ist, können sie sich einer der Fraktionen anschließen und dort initiieren lassen. Sie können sich auf  Zargons Seite schlagen, sie können ihm auch aus dem Weg gehen. Sie können sogar versuchen, die Pyramide einfach nur wie einen hundsordinären Dungeon zu plündern und den ganzen Hintergrund ignorieren.

Es ist ihre Show.
The bickering between the three factions, and their attempts to restore sanity to Cynidicean society, give the DM the chance to add character interaction to the adventure. While the factions can be played as simple monsters with treasure, the DM and players can have a lot of fun with the plots and feuding of the factions. If this is done, the DM should plan in advance what the faction members may say or do if the party tries to talk, attack, or wait to see what the NPCs do first. It is important for the DM to avoid forcing the action to a pre-set conclusion—the actions of the players must be able to make a difference.
Die Stimmung im Abenteuer ist - einen entsprechend vorbereiteten und begabten SL vorausgesetzt - Pulp-Fantasy pur (wie auch schon Isle of Dread). Die untergegangene Zivilisation, die Stadt, all das paßt in einen Text von Haggard, Rice Burroughs oder meinetwegen auch Howard.



Das Material

Es handelt sich um ein 32-seitiges Heft (Klammerbindung YAY) mit allen Plänen im Umschlag, der als DM-Schirm genutzt werden kann. In diesen 32 Seiten befinden sich ein großes Dungeon mit sorgfältig ausgearbeitetem Hintergrund, eine unterirdische Stadt mit mehr als 1000 Bewohnern, Neue Monster, weitere Abenteuerideen etc. pp. Auf 32 Seiten.

Die Illustrationen reichen von krude-evokativ über ausreichend bis grottig.

Moldvay beschreibt den Hintergrund der Zivilisation und ihren Zustand, danach gibt es eine ausführliche Beschreibung der ersten fünf Stufen der Pyramide, gefolgt von Anmerkungen und Plänen zu den nächsten fünf Stufen und schließlich noch ein kurzer Abriß über die unterirdische Stadt, besondere Orte dort und einige Abenteuerideen zum erweiterten Material.

Durch die Umgebungskarte ist das Modul aufgeteilt - die antiken Ruinen in der Wüste, die Pyramide und die unterirdische Stadt. Leider sind die Ruinen nicht sonderlich ausgearbeitet, was die SC ein wenig in Richtung der Pyramide treibt.*

Der Hintergrundteil ist ein kleines Kunstwerk. Auf genau einer Seite erfahren wir von der Stadt, ihrem Schicksal, dem Bösen, das darin haust und von den Fraktionen, in die sich die Bewohner aufgespalten haben. Danach hat der SL nicht nur bereits den Kopf voll von Detailideen, sondern auch ein Gerüst, um jedem der zahlreichen intelligenten Bewohner eine Motivation zu geben. Weitere Teile des Hintergrundes sind (etwas unglücklich) im Text verteilt und geben deutlich mehr Tiefe.

"Richtige" NSC im Sinne von Charakteren, deren traurige Hintergrundgeschichte uns über drei Seiten zu Tränen langweilt, gibt es nicht. Eine Darstellung wie die Folgende kann schon als exzessiv gelten:
Kanadius is stern-looking but basically kindly. He prefers to outmanouver opponents, but is brave if fighting is necessary. He is somewhat absent-minded with unimportant details, but not with major ones. He leads his men rather than orders them. Under his leadership, morale is high. 
In Verbindung mit den klaren Loyalitäten der Fraktionen und ihrer vorgesehenen Reaktionen auf die SC ist das mehr als ausreichend.

Die ausgearbeiteten Dungeonabschnitte sind adäquat, einige nette Begegnungen und Fallen sind dabei. Einige bescheuerte Bewohner des Zoos sind auch unterwegs (Ich hab Thoule nie gemocht). Dazu gibt es das eine oder andere schöne Setpiece. Standardkost alles in allem (eigentlich sind die ausgearbeiteten Teile des Moduls der schwächste bzw. am wenigstens starke Teil), mit dem einen oder anderen Highlight.

An die Grabkammer der Königin kann ich mich noch gut erinnern - meine erste Begegnung mit einem Gruftschrecken, und mein Kleriker konnte sie vertreiben. Wir alle wußten natürlich, daß das Vieh Stufenverlust bei Treffer bedeutet, und mein Findor war der Held der Stunde. Dumm, daß wir uns dann beim Plündern in der Zeit verschätzten, sie zurückkam und sich vor der Grabkammer in der Dunkelheit verbarg.

Hinzu kommen Begegnungen, die - je nachdem, wie die SC sie aufnehmen - zu weiteren größeren Verwicklungen führen können und oft auch exzellente Gelegenheiten zum Rollenspiel bieten:

Demetrius made a dying wish that his spirit live on until Darius was destroyed. The spirit of Demetrius now rests in the white robe. Any character touching the robe must make a save vs. Dragon Breath or be taken over by the spirit of Demetrius. Demetrius will only possess the character long enough to kill Darius.
Nach den ausgearbeiteten Teilen kommen die Hinweise für die fünf unteren Stufen. Sie sind ausreichend um zu erkennen, daß ein TPK immer nur einen Steinwurf entfernt ist. Hier ist dann auch Big Bad Zargon beschrieben. Die Örtlichkeiten in der unterirdischen Stadt und die Abenteuerideen sind kurz, aber in Zusmmenschau ergeben sie einen wundervollen Ausgangspunkt für eine spannende und ungewöhnliche Sandbox.

Der unfertige Status des Moduls hat übrigens - wenn man dem D&D-Historiker Shannon Appelcline glauben mag - einen didaktischen Hintergrund. B-Module sollten dem SL auch zeigen, wie man das Spiel leitet. Dieses hier gibt dem SL fünf voll ausgearbeitete Stufen, durch die er die Gruppe führt, während er gleichzeitig aus dem Rest des Moduls erfährt, wie er nach und selbst Begegnungen erstellt und ein Verließ bevölkert. Je tiefer er in das Modul einsteigt, desto mehr wird er in die Eigenverantwortung entlassen. 

Ja, das kann man so machen. Im späteren roten DM-Handbuch von Mentzer wurde das ähnlich mit Bargles Unterschlupf gehandhabt.


Fazit

Wer Abenteuer kauft, um sich Arbeit zu sparen, der lasse die Finger davon. Man erhält einen Hintergrund, einige ausgearbeitete Dungeonlevel, Hinweise auf tiefere Level, spärliche Informationen zur Stadt einer verlorenen Kultur und dazu etliche Pläne.

Ein lose Sammlung, gewissermaßen, die als Kaufabenteuer den Kriterien schon lange nicht mehr entspricht.

Aber was für eine Sammlung das ist, überbordend mit Anregungen und Ideen, Pulp-Fantasy einer untergehenden, vergessenen Kultur in Reinform. Wer vorhat, mit diesem Topos zu arbeiten, der sollte es sich zumindest einmal anschauen und begreifen, wie Moldvay diese Zivilisation strukturiert hat, und wie wenig man schwallen muß, um Jahrtausende zum Leben zu erwecken. The Lost City ist auch ein Lehrstück in Sachen Textökonomie**.

Diese Knappheit hat natürlich den Nachteil, daß Infos nicht redundant im Text wiederholt werden. Um das ganze, komplexe Beziehungsgeflecht innerhalb der abgeschlossenen Welt von Cynidicea zu verstehen, muß man sehr genau lesen und auf die doch teils arg verstreuten Informationshappen achten.

Wer gewillt ist, ordentlich Arbeit in ein Modul zu investieren, obwohl er es bezahlt hat, dem sei B4 wärmstens empfohlen. Wer sagt, ein klassisches großes Verlies müsse man mal gespielt haben, der sei an dieses verwiesen. Man kanns jetzt als PDF kaufen.

Als nächstes in dieser Kolumne: Wahrscheinlich Ravenloft oder Keep on the Borderlands.
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*Um es etwas mystischer angehen zu lassen empfiehlt es sich, den Ruinen etwas Fleisch auf die Knochen zu geben, einen Brunnen mit Wasser hinzupflanzen und eine Tabelle mit Wüstenbegegnungen auszuarbeiten, wie unser DM es in den kalten, harten Tagen gemacht hat. Ich war erstaunt, als ich es das erste Mal las, wie wenig im Modul über die Ruinen zu finden ist.

**Ich denke mit Grauen daran, welche Textmengen ein heutiger Designer dafür verbraten würde. Wahrscheinlich würde er den Leser sogar noch mit einer Kurzgeschichte foltern.


2 Kommentare:

TheShadow hat gesagt…

Sorry, mußte stellenweise nacharbeiten. Mir ist die zweite Muttersprache ins Gehege gekommen.

rillenmanni hat gesagt…

"...Wahrscheinlich würde er den Leser sogar noch mit einer Kurzgeschichte foltern."
Was für ein wahrer und gelungener Abschluss Deiner Rezi! :)
Ja, heute ist man zu ausschweifend - das bin ich in meinen Arbeitsversionen auch (und kürze dann kräftig) - früher war man oft doch ein wenig zu knausrig, wie ich finde.

Was meinst Du denn, hätte dieses Modul damals gewonnen, wenn man ihm statt 32 Seiten bspw 40 Seiten spendiert hätte?

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