Mittwoch, 2. Mai 2012

Cues, Loops, Ambience Part I

Alles rutscht unruhig auf seinen Hämorrhoiden, auf daß die RPC endlich beginne. Ich nicht. Für die RPC gilt für mich dasselbe wie für Orte wie Indien: Würde ich unglaublich gerne mal besuchen, wären da nicht die ganzen Menschen.

Also setze ich mich mit dem Lappie auf die Terrasse und schreibe zum diesmonatigen Karneval einen konservativen Beitrag zum Thema "Flöten, Sänger, Synthesizer", also zur Musik im Tisch-Rollenspiel. Warum und Wie und so Standardkram halt. Mehr ein How-To als eine akademische Überlegung.



Voll Emo

Auf Musik im RSP kann und will ich als SL und als Spieler nicht verzichten. Ich tauche gerne ein, ich kitsche und gefühle gerne vor und hinter dem Schirm, und große Emotionen sind eine der Säulen des Hobbies in meiner Definition. Dieses Gefühlige muß natürlich im Laufe der Kampagne zunächst vorbereitet, quasi erarbeitet werden, indem wir unsere Helden, Feinde, Freunde und die Welt kennen, lieben und hassen lernen.

Um ein episches Pay-Off (es gibt übrigens einen FanEdit mit anderer Musik) am Tisch zu einer existentiellen Erfahrung der Spieler werden zu lassen, es über das Abhaken eines Stereotyps zu erheben, bedarf es dieser langen Vorbereitung, bedarf es Spielern, die ihren intellektuellen Ballast für einige Stunden wegpacken können, um sich auf rohe Gefühle einlassen, und der SL darf in der Präsentation keinen Fehler machen.

Enter: Musik am Tisch. Wir wollen Emotion, und nichts evoziert Emotion mehr als das passende Stück Musik.

Technik

Technisch bin ich - wie immer - günstig und bescheiden. Alles zum Schneiden liefert mir der GoldWave Sound-Editor, den ich vor Jahren gekauft habe. Zum Übertragen von CD auf Rechner verwende ich den Audiograbber. Ich encodiere dabei mit 320 Kbps im mp3-Format.

Zum Abspielen benutze ich einen Satz guter Boxen am Lappie über Winamp (ich benutze die schlanke, für mich perfekte Version 2). Es gibt zwar RSP-spezifische Tools für Musik am Tisch, aber Scene Sound ist mir ernsthaft zuviel Gefuddel während des Spiels und beim RPG-Soundmixer geht es mir wie vielen anderen auch: Das Ding ist mir zu esoterisch in der Handhabung.

Material

Es ist nicht einfach damit getan, eine CD zu kaufen (oder iTunes etc.) und die Stücke laufen zu lassen. Programmmusik hat die unangenehme Eigenart, einem Programm zu folgen (hence the name), und das ist zumeist nicht unser Programm. "Reine" Stücke sind selten, zumeist variieren Tempo und Stimmung, und das unterstützt nicht, sondern stört (für unsere Zwecke natürlich nur). Gerade symphonische Sätze sind sehr abwechlunsgreich bis sprunghaft

Nach Übertrag einer CD auf Platte wird jedes einzelne Stück, jeder einzelne Satz zerlegt in seine Bestandteile und anschließend kategorisiert. Jeder Fetzen, der länger als 60 Sekunden dauert, wird als eigenes Stück abgelegt in einer oder mehreren von 48 Kategorien (siehe Bild).

Ein Beispiel: 0:00 bis 2:23 spannend mit leichten Einschüben von Mystik und Bedrohung im Wechsel, 2:24 bis 3:30 verhaltener Triumph, getragene Epik... usw.

Meine Sammlung habe ich über jetzt 10 Jahre allmählich aufgebaut, immer das, was ich brauchte, und sie umfaßt jetzt etwas über 3000 Stücke. Darüberhinaus habe ich noch Material diverser Sounds-of-Nature-Kollektionen (nicht die mit dem Synthie-Gedudel, reine Naturstimmungen) und sichere auch immer die FX-Libraries von Computerspielen.

Grundstimmung

Als erstes mußt Du herausfinden, wie Dein fiktionales Universum klingen soll. Orientiere Dich am gängigen Stereotyp. Deadlands beispielsweise sollte natürlich innerhalb der Western-Konventionen funktionieren. Entscheiden mußt Du, ob mehr in Richtung Elmer Bernstein oder Ennio Morricone gehen willst. Dann gilt es, diese Stimmung zu erweitern um die Horror-Elemente des Settings.

Suche Dir den archetypischen Soundtrack für Dein Setting und verwende ihn nicht, denn dieser ist emotional mit einiger Sicherheit bei Deinen Spielern besetzt, aber eben nicht mit Deinem Spiel. Nimm einen eher unbekannten Soundtrack, dessen Klangfarben dem Archetpyen ähneln, der aber noch "unverbraucht" ist.

Stücke wie die Fanfaren von Star Wars oder Indy sind tabu, es sei denn, Du spielst Star Wars oder Indiana Jones. Dann müssen sie natürlich Verwendung finden.

Für meine Hexensteinkampagne (Trailer für die beiden letzten Staffeln sind hier) auf der Welt Elcwing wollte ich einen Klang "wie die Herr der Ringe-Filme". Auf der Suche nach diesem Klangbild fand ich schließlich den Soundtrack zu Lineage II von Bill Brown. Er paßt perfekt und hat mir als Rückgrat zur musikalischen Gestaltung von acht Jahren Kampagne (278 Stücke, fast 34 Stunden Laufzeit) gedient, zusammen mit anderen Stücken von Bill Brown und unterfüttert mit Arbeiten von Jason Walton Graves, Tommy Tallarico und vielen anderen.

Die Melodien aus L-II bildeten die Leitmotive der Kampagne. (Beispielsweise dieses als das "Hüterthema" oder das als Opener für gefährliche, verzeifelte Kämpfe). Sie waren den Spielern unbekannt und sind bei einigen auch jetzt noch sehr stark mit dem verbunden, was sie am Tisch erlebt haben, die Tear-Jerk-Momente im Besonderen.

Auch das Schurkenthema der mächtigen Maraleran (Lux Aeterna) löst immer noch Gänsehaut aus, obwohl es in den vergangenen Jahren über das Web zum Gassenhauer verkommen ist. Das Stück eignet sich prima zum Zerlegen, und anschließend hat man ein Leitmotiv in zwei Varianten, nämlich bedrohlich und actiongetrieben.

Für die letzte Staffel der Kampagne mußte ich dann noch eine Schippe düstere Epik drauflegen. Hier griff ich dann teilweise auch auf Werke von Two Steps From Hell und Immdediate Music zurück.

Teil II

Umfaßt die detaillierte musikalische Ausgestaltung eines Abenteuers mit Plot aber (weitestgehend) ohne Railroading am praktischen Beispiel. Cue-Sound, Loops und generelles Ambient werden besprochen, Key-Sound-FX und Mischung erklärt. Bis dann.

3 Kommentare:

Timmy hat gesagt…

Danke. Gespannt auf den zweiten Teil.

Anonym hat gesagt…

ganz interessant, aber ich verstehs teilweise nicht. warum zerschneidest du stücke in 60.sec-happen?

TheShadow hat gesagt…

Ähem. Das tue ich nicht, aber ich sehe, wo das Mißverständnis herrührt. Ich habe den Passus überarbeitet.

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