Donnerstag, 31. Mai 2012

Old School ja, OSR nein!

Wobei OSR für "Old School Regeln" steht. Nach jetzt zwei Einsätzen mit meinem DSA-Retro-Mutanten kann ich sagen, daß mir etliches an den Regeln fehlt, Dinge, die ich gewohnt bin über feste, schnelle Mechas zu lösen, muß ich nun "rulen" (Kernsatz "Rulings statt Rules"). Das ist Mehraufwand, unnötiger Mehraufwand für mich als SL. In die Situation kommt man mit der Leitung zwar immer, aber man kann es nun wirklich begrenzen.

Das nächste was fehlt: Merkmale für die Charaktere, die über Attribute hinausgehen. Ich habe sie zwar sehr begrenzt eingebaut, aber das ist mir zu fade. Ich möchte wohl sowohl für SC als auch SLC eine Fülle an Merkmalsoptionen,egal ob Talente, Fertigkeiten, Vorteile, Merkmale, Edges, Knacks...

Drittens kann man mit einem kleinteiligeren System genauso gut old schoolen.

Was sind denn die Merkmale der Old School? Soweit ich verstanden habe:

Ein starker SL, der seine Sandbox oder Plots zwar vorbereitet, sie aber am Tisch voll Vertrauen seinen Spielern übergibt und deren Einfluß auf die Welt akzeptiert. Regelunabhängig.
Der SL als Schiedsrichter. Er ist neutral, offen und legt die Regeln nach bestem Wissen aus, nicht nach Wohlwollen oder "Dramaturgie". Er ist neben dem Erzähler auch Schiedsrichter. Fast regelunabhängig, System mit PE können das aushebeln.
Vollkommen offener Ausgang. Das bedeutet, der Verlauf des Plots ist nicht oder nur wenig vorherbestimmt. Die Handlungen der SC sind wertig und können jede Planung seitens des SL durchkreuzen. Die dunkle Seite: Der SL "hilft" nicht und Tod ist ein Allgemeinplatz. Regelunabhängig, wobei sich Tödlichkeit nach System unterschiedlich gestalten kann.
Heldisch, nicht übermenschlich ist eine weitere oft gehörte Forderung. Das ist natürlich eine Systemfrage, aber es gibt genug moderne / modernisierte Systeme, die genau das bieten. Old School D&D kommt ihr übrigens in höheren Stufen nicht nach, ganz im Gegensatz zum vielgeschmähten Bauergaming bei DSA...
Vergiß die Balance! Das ist ein sehr interessanter Punkt. Balance besteht aus zwei Aspekten, einmal die Balance der Charaktere untereinander, die ich persönlich sehr wichtig finde (exemplarisch hier Savage Worlds). Zum anderen ist damit die Encounter-Balance gemeint, die natürlich keine ist. Systeme, die Encounters "balancen" meinen damit, daß die Kämpfe schwer zugunsten der SC neigen und diese nur bei extremer Dummheit und/oder Würfelpech ernsthaften Schaden oder (o Gott) gar sterben können. Ein balancierter Encounter wäre einer, bei dem die SC in 50% draufgehen können. Aber das nur am Rande. Jedenfalls ist diese Forderun auch regelunabhängig, denn jedes System kann Imba gespielt werden.

Lediglich zwei Forderungen / Aspekte des Old School-Spieles sind grundsätzlich abhängig vom Regelwerk.

Rulings, not Rules. Das impliziert, dadurch, daß der SC so wenig Merkmale auf dem Blatt hat, ist er freier in seinen Handlungen, die der SL fair bewertet. Bullshit.

a) Erlauben die meisten Systeme den Versuch einer Handlung, auch wenn ich ein Merkmal (Springen z.B.) nicht auf dem Bogen stehen habe. Das ist die Essenz von Rollenspiel. Tu, was Du willst, wir gucken obs klappt. Ausnahme ist gemeinhin Magie, die kann ein Nichtmagier bei OD&D eben auch nicht anwenden. Strohmann.

b) Gerade die Existenz von Mechas und Regeln geben dem SL bei seinen Entscheidungen mehr Sicherheit und eliminieren einen Teil von Willkür, die bei einem Subjekt immer gegeben ist. Sie helfen dem SL dabei, seine Rolle als neutraler Schiedsrichter zu erfüllen.

Player Skill, not Character Abilities
: Ganz ehrlich? Noch unsinniger. RSP ist immer eine Mischung aus Player Skill und den Dingen, die auf dem Charabogen stehen. Das ist beim Tischrollenspiel gar nicht anders möglich, oder wie will ich eine Reiterattacke machen.

Das immer wieder gern gebrachte Beispiel (auch im oben verlinkten Text) ist das Fallen Suchen. Der Skill "Fallen Suchen" sei ja soooooo langweilig im Vergleich zur Beschreibung derselben Tätigkeit. Sorry, sowohl als SL als auch als Mitspieler hätte ich spätestens beim dritten Raum genug, den der Diebescharakter verbal bis ins Kleinste durchsucht.

Player Skill vs. SC-Fertigkeitern ist einer der Punkte, der, denke ich, in jeder Gruppe seine eigene Gewichtung hat und haben soll.

Nene, das alte Gerümpel, sei es OD&D, DSA-1 etc., bleibt künftig im Regal. Ich bleibe bei meinem Leitstil, der sehr old schoolig geprägt ist (aber nicht nur) und betreibe ihn entweder mit SaWo oder mit meiner eigenen ELWMS.

7 Kommentare:

Frank von Tanelorn hat gesagt…

"Ein balancierter Encounter wäre einer, bei dem die SC in 50% draufgehen können."

Da möchte ich widersprechen...
Denn ich denke, bei der Sterblichkeitschance würde jede Runde nach einigen Sitzungen rebellieren.
Es würde bedeuten, das im Schnitt wirklich jede zweite Sitzung ein Charakter (oder mehrere, alle?) entgültig ausscheidet.

Balancing bedeutet, dass die Charaktere im Normalfall den Encounter zu 100% schaffen, wenn nicht etwas unvorhergesehendes passiert (Freak-Rolls?) oder maßgebliche taktische Fehlentscheidungen getroffen werden.
Ich werte das mal explizit nicht.

Oldschool hebt das auf und wertet 'Charakterverlust' mit "so what?".
Dann macht man also eben einen neuen Charakter. Die Bindung an einen Charakter, der den Plot (existiert ja eh kein vordefinierter) überleben muss, damit der Spieler die Rahmenhandlung kontinuierlich miterleben darf, existiert nicht.
Insofern wäre eine Mortalitöätsrate von 50% im Oldschool möglich, weil 'nicht schlimm'.
Ich denke, das "fehlende Balancing" konzentriert sich beim OldSchool stark auf das Machtgefüge innerhalb der Runde, schlicht, weil das externe (also die Ausgewogenheit der Encounterschwierigkeiten) als irrelevant betrachtet wird.

Anonym hat gesagt…

Vergiß die Balance: stimtm auch so nicht. Die Balance ist nur woanders zu finden: In ausgewogenen Begegnungstabellen z.B., bei der gefährliche Monster nur selten in Gebieten erscheinen, die die Charaktere als befriedet ansehen können. Oder in grundsätzlichen Festlegungen wie Dungeon Level 1 ist weniger schwierig als Level 19, nahe der Hauptstadt gibt es weniger Monster als in der Wildnis etc.

Zumindest Systeme mit festen Fertigkeitslisten schränken aber schon ein, denn wenn ich Fertigkeitspunkte auf Springen gelegt habe und mein Sitznachbar nicht, dann kann ich erwarten das ich besser springen kann als er. Und im Umkehrschluß bleiben ihm einige Handlungen verwehrt. Allerdings bin ich auch kein Freund des völlig Fertigkeitslosen Spiels, ist doch im Prinzip die Attributsprobe nichts anderes, nur in Grün. Und Einschränkung der Möglichkeiten ist auch im Rollenspiel nicht immer das schlechteste...

Anonym hat gesagt…

Das OSR eigentlich für Old School renessaince steht ist klar, oder? Darum ist die Überschrift unglücklich gewählt.

@Jeder darf n Wurf machen: Der Vorteil von wenigen, klaren Regeln ist doch eher, dass man sie schneller und eindeutiger auf die aktuelle Erfordernis improvisieren kann. Das macht zugegebermaßen DS besser als LL.

@PlayersSkills: Halte ich auch für überschätzt. Und nein, drei Räume zu untersuchen, wo nix ist, ist auch bei Oldschool Langeweile (jedenfalls für mich). Interessant wird es dann, wenn es eine komplexe Falle ist. Das viel archetypischere Beispiel ist übrigens das Rätsel.

TheShadow hat gesagt…

Nein, nicht unglücklich, bewußt mißverständlich ist die Überschrift gesetzt. ;)

Das liegt daran, daß gerade im angelsächsischen Raum OSR mit alten Regelsystemen (möglichst in ihrer Urform) assoziiert wird (da oder dort oder da drüben beispielsweise). Und diese Gleichsetzung Old School = Old System funktioniert eben nur, wenn man auf diesen "Rulings statt Rules" Fetisch abfährt, den ich für unwichtig halte. Old School ist mMn nicht mehr als ein Spiel- und Leitstil, den man auch mit vielen modernen System umsetzen kann.

Alex Schroeder hat gesagt…

Zu "Rulings, not Rules": Mein Hauptproblem war da eigentlich das ständige Blättern in den Regelbüchern. Wie schwer ist das Abseilen, wenn das Seil keine Knoten hat und die Wand glatt ist? Wie schwer ist es, einen vorbeifallenden Menschen aufzufangen? Als ich beschlossen habe, die die Details der Fertigkeiten zu ignorieren, ging alles viel flüssiger und damit stimmiger am Tisch. Klar kann ich die genauen Regeln bei D&D 3.5 auch ignorieren oder improvisieren -- aber dann sind wir ja auch bei "rulings, not rules". Bei mir ist von all den Fertigkeiten halt nur noch Charakterhintergrund übriggeblieben: Bist du in den Bergen aufgewachsen? Bist du als Kind viel herumgeklettert? Falls ja, schreib's auf deinen Charakterbogen und ich werde es gebührend berücksichtigen.

Zu "Player Skill": Jeden Raum nach Fallen absuchen ist natürlich immer langweilig, insofern finde ich das Beispiel auch bei Matt Finch unglücklich gewählt. Ist wahrscheinlich wirklich überbewertet.

TheShadow hat gesagt…

"Ein balancierter Encounter wäre einer, bei dem die SC in 50% draufgehen können."
Da möchte ich widersprechen...

Magst Du. Ändert nix. "Balanciert" bedeutet "Ausgewogen." Beide Seiten haben die gleiche Chance.

50:50

Ein Fußballspiel Spanien vs. Lettland ist NICHT "balanced"!

Anonym hat gesagt…

"Vergiss die Balance" meint eher, dass die Spieler durch ihre Entscheidungen selbst das Abenteuer balancen. Old School Spiele finden in Dungeons statt. Dungeons werden von Level zu Level schwerer. Die Spieler suchen sich aber aus, in welchen Level sie wollen. Der Vorteil: Der Spielleiter muss sich nicht mehr um ein abstraktes Ideal von Gerechtigkeit kümmern.

50% Überlebenschance bei einem Encounter sagt an sich nichts aus. Die Frage ist einfach nur: machen die Spieler es richtig oder nutzen sie die Schwachstellen der Gegner nicht aus. Mit einer Prozentwahrscheinlichkeit ist das im Old School Spiel nicht zu beantworten.

Zum Spielerskill gehört es natürlich, zu Planen und die Schwachstellen herauszufinden. Müdigkeit und Langeweile sind wohl am Tisch und im Dungeon die größten Gefahren. Sie führen zu oberflächlichen, überhasteten und letztendlich tödlichen Entscheidungen.

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