Mittwoch, 19. Februar 2014

TSR-Klassiker: T1 The Village of Hommlet

Obschon Rollenspieler seit 1979, hatte ich jahrzehntelang nichts mit Gygax' vielleicht bestem Modul zu tun. Erst im September 2008 konnte ich es spielen und anschließend auch lesen. Dabei ist T1 Village of Hommlet eines der bahnbrechenden Produkte von AD&D.

Gygax etabliert darin den lange gültigen Topos von Basis + Abenteuerschauplatz. Zum ersten Mal wird eine überirdische, nicht mit Feinden vollgestopfte Siedlung beschrieben, und wir erhalten die (kurze) Einblicke in die Kampagnenwelt. Mit Hommlet entwuchs das Rollenspiel den stygischen Tiefen des Verlieskrauchens, befreite die Spielercharaktere von ihrer faktischen Nichtexistenz im Tageslicht.

Das Abenteuer (Spoilers)
The Village of Hommlet has grown up around a crossroads in a woodland. Once far from any important activity, it became embroiled in the struggle between gods and demons when the Temple of Elemental Evil arose but a few leagues away. Luckily of its inhabitants, the Temple and its evil hordes were destroyed a decade ago, but Hommlet still suffers from incursions of bandits and strange monsters.
Schauplatz ist eine dörfliche / kleinstädtische Grenzgemeinde namens Hommlet. Aus ihrer düsteren Vergangenheit erwächst eine düstere Gegenwart und die SC werden mit einer Niederlassung des Bösen mitten in der Siedlung konfrontiert. Das Ende ist ein Teaser für ein weit größeres Abenteuer (das dann sechs Jahre auf sich warten ließ).

Das ganze Ding ist kurz, sehr kurz. Das Modul besteht aus 16 Seiten Text, 8 Seiten Karten und weiteren Karten im Umschlag. Das Lay-Out ist eng mit schlecht lesbarer Type, das Cover trashig (kann man mögen, muß man aber nicht) und die handvoll Illustrationen sind kompetent und stimmungsvoll. Das wars.

Warte mal: Mehr nicht? Und sowas gilt als Klassiker? Yupp. Und vollkommen berechtigt.




Wie es sich spielt

Für jeden anders. Eine plotzentrierte, eingespielte Gruppe fegt da in wenigen Stunden durch, während Drama-Queens und Selbstdarsteller wahrscheinlich mehrere Sessions in der Siedlung selbst verbringen können. Der Hauptcharakter des Moduls ist die Siedlung selbst, mit ihren zentralen Örtlichkeiten wie dem Tempel von St. Cuthbert vom Prügel oder dem Gasthaus "Zum freundlichen Frauenzimmer". Das Modul bietet Möglichkeiten zum ROLLENspiel zuhauf.

Wie stets bei Gygax sind die NSC sehr knapp geschildert, so knapp, daß mit derlei Modulen unerfahrene SL zunächst Schwierigkeiten haben, eine Linie zu finden:

Habs durch und kanns leiten. Irgendwie hat unser guter Gary einen Hang zu Kämpfen und Schätze sammeln. Bei jedem Furz steht dabei wie es/er/(nicht sie) kämpft und was er wo dabei oder versteckt hat und wo genau... Frauen kämpfen bei ihm generell nicht, Kinder erst ab 16. Er neigt außerdem zu Großfamilien... Beispiel gefällig? "Bauernhaus mit Scheune. Er (Käm 0, TP, Sch, Bewaffnung, usw.) ist vor zwei Jahren hergezogen und lebt mit seinen 18 Kindern, davon 3 Söhne über 16 (Käm 0, TP, Sch, Bewaffnung, usw.) und seiner Frau hier. Er hat 13 GM und 12 SM in einer alten Socke auf dem Speicher."  Das wars, mehr gibts nicht. So geht das in einem fort. 
Der betreffende DM hat dann später am Tisch schnell geschnallt, daß diese knappen Angaben in Verbindung mit der ausführlichen Beschreibung vollkommen ausreichend sind, den Ort on the fly nach den aktuellen Erfordernissen am Tisch zu gestalten.

Auch der Wegfall von "Plot" im Sinne einer vorgezeichneten Handlung im Text selbst mag verwirren. Natürlich haben die NSC in diesem Modul Absichten, eine Handlung findet im Hintergrund statt, aber ein Ablauf ist nicht vorgegeben. Die SC erreichen Hommlet, machen Rast und haben rasch das Gefühl, daß hier eine Gemeinschaft nicht wahrhaben will, daß sie am Rande des Abgrunds steht.

Diese Ausgangssituation ist ebenso simpel wie wirkungsvoll. Und was sich ergibt, entfaltet sich vor einem liebevoll gesponnen Tableaux an Settingfeinheiten (St. Cuthbert und sein Gegensatz zum "Alten Glauben") und NSC, die sich gegenseitig nicht grün sind. Es ist nicht zu glauben, wieviel Details Gygax in diese 16 Seiten gepackt hat, um ein Schlangennest voller Intrigen mit der Heimeligkeit von Apfelkuchen zu verbinden.

Der eigentlich Abenteuerschauplatz (Moathouse) ist interessant, für Anfänger-SC evtl. zu hart und insgesamt etwas kurz geraten, was aber auch daran liegt, daß T1 ursprünglich rasch von T2, dem eigentlichen Abenteue,r gefolgt werden sollte. Hommlet ist eher eine Art Settingband. Alles in allem waren wir - Plothunde allesamt - an einem längeren Abend durch.

Fazit

Etwas durchwachsen.

Village of Hommlet hat zwei große Pluspunkte: Zum einen, die vollkommene Freiheit innerhalb des Moduls für die Spieler (Warum das Moathouse aufsuchen? Warum nicht lieber zunächst in den Kampf zwischen alter und neuer Religion eingreifen? Hey, es ist euer Abenteuer!), zum anderen die präzise Ausgestaltung eines interessantes Dorfes.

Auf der Negativseite stehen die zeitgenössische Gestaltung (eine weitgehend gruslige Textwüste) und das Unfertige des Moduls. Der schließlich erschienene Nachfolger entpuppte sich als ödes Megadungeon, ist also auch keine Lösung für das Problem.

Ein SL, der sich jedoch gut vorbereitet (oder überhaupt nicht) und mit dem Flow der Gruppe geht, wird glückliche Spieler haben. Wir hatten auf alle Fälle Spaß (danke, Martin).

Ach ja. Natürlich kann mans kaufen.

Addendum: 

Das Originalmodul kostet 5 Dollar, Temple of Elemental Evil kostet 10 Dollar. Selbst wenn man den Tempel nicht verwenden will (dazu später mehr), ist ToEE doch dem T1-Modul vorzuziehen. ToEE enthält das komplette Modul T1 aber in weitaus ansprechenderem Design und zusätzlichen Infos zur weiteren Umgebung.





1 Kommentar:

Moritz hat gesagt…

Dieses Cover hier ist viel, viel geiler - nicht von der Illus her, aber von der Aufmachung - die Monochrom-Cover haben schon schwer gerockt!!!

http://www.rpg.net/pictures/show-pic.phtml?picid=2388

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