Samstag, 31. Dezember 2016

Laßt uns ein Jahr erschießen.

Bild: Alexander Klier
CC Attribution 3.0 Unported
Gehts also doch zuende, das Horrorjahr 2016. Ganz persönlich war es nicht sehr schlimm, eher das Gegenteil, Aber die Welt draußen scheint manchmal komplett irre geworden zu sein. Von der Arbeit des Schnitters dieses Jahr fang ich erst gar nicht an.

Nun also 2017. Wird spannend bleiben, mit all dem, was sich gerade ändert (oder auch nicht); der Westen geht in den vollen Orwellmodus und richtet Wahrheitsministerien ein, ein Windbeutel ist der Präsident der USA und bei uns heißt es "weiter so." Yeh...

Allen, die sich hierher verirren, wünsche ich einen sehr, sehr guten Rutsch und ein hoffentlich friedliches und glückliches Jahr 2017. Kommt gut rüber. 

Ich fahr jetzt nach Mainz, und wie immer am Jahresende gilt: See you on the other side. Wir sprechen uns.

Dienstag, 27. Dezember 2016

May the Force be with them

Boaaah. Ich mach hier mittlerweile Sammelthreads für die Abgetretenen. Über die Weihnachtsfeiertage hat es also Prinzessin Leia erwischt, dazu noch Richard Adams, den Autoren der besten Tierfantasy aller Zeiten, die Physikerin Vera Rubin und nicht zu vergessen George Michael.

Fassungslos (na gut, Adams war 96 und Rubin 88, trotzdem). Und noch vier Tage bis 2017. Ist das die Rapture oder was?

Dienstag, 20. Dezember 2016

Saddle up, partner.

Fein. Der Krautfunder für das mMn immer noch beste Savage Worlds-Setting geht in knapp 2 Stunden online: Deadlands Reloaded. Die Promethen beenden das Jahr also mit einer wilden Ankündigung. Der Sarg paßt zwar nicht in mein Bücherregal, aber die Holzschuberausgabe sieht schon lecker aus. Sechsschüsser, Pokerkarten, Würfel und Chips liegen bereit.

Update: Die Projektseite ist jetzt freigeschaltet. Die ersten Interessierten haben sich auch eingefunden. Das Projektziel ist mit 5000,-- recht überschaubar und sollte bis Februar zu schaffen sein.

Montag, 19. Dezember 2016

0 Tage seit dem letzten Arbeitsunfall

Rogue One löst eines der größten Rätsel im Star-Wars-Universum: Warum zur Hölle gibt es an Bord des Todessterns kein einziges Sicherheitsgeländer um das Personal vor einem Sturz in die Abgründe dieses Behemoth zu bewahren? Galen Erso did it.

Ansonsten? Meh. Immerhin kein lauer Aufguß mit zerlöchertem Plot, unfähigen / grenzdebilen Charakteren und pampfressiger Mary-Sue. Was eigenes eben.

Wie ein Jodeldiplom.

Dienstag, 6. Dezember 2016

Warhammer Zwote kostenlos auf Deutsch

Gerade bei Athair drüber gestolpert: Feder & Schwert geben die PDFs zum GRW des deutschen Warhammer und zum zugehörigen Magie-Splatbook umsonst ab. Ich verlink das nicht direkt, sondern schick euch rüber auf die Zauberferne, um es zu bekommen (ganz unten ist ein Link zu DTRPG). Wäre sonst unkollegial.

Freitag, 2. Dezember 2016

Neverwinter Nights Diamond Edition für lau

Das kann sich sehen lassen. GOG haut Adventsspecials raus, und darunter ist auch die Diamond Edition von Neverwinter Nights, dem Klassiker von Bioware.

Da muß man einfach zugreifen. Man erhält nicht nur ein klassisches cRPG mit DLC dazu, der übrigens sehr gut ist und über die eher maue Hauptkampagne wegtröstet, sondern auch ein geniales Toolset zum Modden, das einzige Spiel mWn mit einem funktionierenden Online-Modus für Spielergruppe + Spielleiter (inkl. einer Tonne kostenloser Module) und schließlich noch ein tolles Tool, um prächtige Floor-Tiles zu erstellen.

Und hier kann man es ziehen.

Update: War ein zeitlich begrenztes Adventsangebot, wie es scheint.

Mittwoch, 30. November 2016

So long, Einsamer Wolf

Heute die Nachricht reingekriegt, daß Joe Dever gestorben ist. Das Jahr 2016 senst munter weiter. Jetzt also verstarb der Schöpfer des Einsamen Wolfs, des Magiers Greystar und der Welt Magnamund ist im viel zu jungen Alter von 60 Jahren am heutigen Mittwochmorgen.

Das vierzigjährige Jubiläum seiner Kampagne zu erleben, war ihm nicht vergönnt. In memoriam werde ich nächste Woche eine Lone-Wolf-Queste beginnen. Ich hab die Bücher seit den später 1980ern nicht mehr in der Hand gehabt.

Rest in Piece.

Donnerstag, 17. November 2016

Kleiner Filmtip: The Pentagon Wars


Wer sich für so Belanglosigkeiten interessiert wie "Warum sind unsere Schützenpanzer langsamer als unsere Kampfpanzer?" "Warum schießen unsere Gewehre nicht bei sonnigem Wetter?" Und: "Warum kostet das alles soviel?" (Siehe Tschingderassa Bumm Bumm) Jedenfalls, wer sich für so Fragen interessiert, für den habe ich einen netten Film. Die Dokukomödie The Pentagon Wars.

Der Film nimmt den kompletten Wahnsinn eines Heereswaffenamtes, der in der Buchvorlage The Pentagon Wars: Reformers Challenge the Old Guard zu finden ist und kondensiert ihn zu einer sehr vergnüglichen Geschichte.

Kelsey Grammer chargiert hier fröhlich zwischen Frasier Craine und Jack Nicholson, und Cary Elwes gibt den smarten Helden. Das sind sehr unterhaltsame, aber auch lehrreiche 100 Minuten. Und wie der Vorspanns schon verspricht: Und ob Sie's glauben nicht - so hat es sich zugetragen.

Mittwoch, 16. November 2016

The Mask of the Reckoner

Masks of Nyarlathotep war immer meine Lieblingskampagne für CoC, weil sie sich, abgesehen von Mythosbüchern und Namedropping von Mythoskreaturen, was aber alles eher Tarnanstrich ist, als reines Pulp-Abenteuer gestalten läßt. Cthulhu als Rollenspiel gewinnt für mich gewaltig, je mehr man Cthulhu und den ganzen kosmischen Schwurbel rauswirft.

MoN ist Pulp, es wird ein bißchen ermittelt, aber in erster Linie fliegen Fäuste und Blei. Da ich gerade meinen ganzen Spaß an Deadlands: Reloaded wiederentdeckt habe (wir berichteten) - warum nicht Masks of Nyarlathotep als Horror-Western-Pulp?

Das Auftaktszenario bleibt natürlich in New York City, aber wenn man das mit Scorseses Gangs of New York anreichert, wird das noch besser. London wird nach Boston, Ma oder in die Südstaaten verlegt (Richmond, Va oder Susannah, Ga). Da kommen dann endlich auch mal meine alten Classics-Quellenbücher über Nord und Süd zum Einsatz. Für den wilden SC-Haufen wird das außerdem ein wunderbares Fisch-aus-dem-Wasser-Szenario.

Statt Cthulhu Reckoner-Ermittler mal wieder nach Ägypten zu schicken (gähn) schicken wir sie zunächst zu den Azteken (denen ein schönes Kapitel in South of the Border gewidmet ist) und schließlich warten statt Kenia noch die dampfenden Dschungel Südamerikas auf die SC. Das ist Blindflug, aber da gibt es sicher einige gute Bücher, die als Anregung dienen können.

Ist natürlich Arbeit, und zunächst einmal wird die erste Wasterunner-Kampagne abgeschlossen. Aber ich fange meist recht früh mit Grobplanungen an. Input daher willkommen. Was klappt an der Kampagne im Original, was nicht, was sind Fallstricke und Handlungslöcher? Gibt es bessere Surrogatschauplätze im Weird America? Und jede Idee zu anderen Aspekten ist auch willkommen. Ich sehe das ein wenig als Brainstorm für alle, die an sowas Spaß haben.

Freitag, 11. November 2016

Failsafe?

Antrittsbesuch
im Weißen Haus
Den ganzen Nachmittag rollen hier schon die Nachrichten 'rein, wie Trump eine Position nach der anderen aufgibt (bis auf Obamacare und Mexiko, leider), sich auf republikanische Politik zurückzieht und sich mit dem parteitypischen Geschmeiß umgibt. Nanu? Ist der große, böse Wolf doch nur ein Republikaner und keiner sollte es gemerkt haben?

Oder läuft hier ein anderes End-Game? Ein ganz anderes End-Game? Tatsache ist: Trump ist bereits vor Ablegen des Amtseides enorm impeachable, und das hat nix mit Pfirsichen zu tun. Impeachment bedeutet, dass der Kongress den Präsidenten seines Amtes enthebt.

Scheint illusorisch angesichts der Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern des Kongresses? Nur wenn man so töricht ist zu übersehen, daß Trumps hauptsächliches Wahlversprechen neben dem antimexikanischen Schutzwall das Vorgehen gegen Wall Street und internationale Finanzinteressen war, beschworen mit eindringlicher Rhetorik.

Egal, ob man das glaubt oder nicht - das schmeckt den Reps nicht. Ihnen hat auch nicht geschmeckt, wie Trump sie während der Vorwahlen am Nasenring durch die Arena schleifte und ihre "Hoffnungsträger" wie Jeb "bitte klatschen Sie" Bush faschierte. Nein, diese Reps hassen ihn mindestens genauso sehr, wie die Dems ihn hassen.

Jeder haßt ihn. Und man hat ihm wohl klar gemacht, daß jeder ihn haßt, und daß die Reps ihn in dem Moment fallen lassen werden, indem sie das irgendwie moralisch und/oder politisch rechtfertigen können. Ich schätze mal, das war während des Gesprächs mit Paul Ryan, kurz vor dem Besuch im Weißen Haus. Das erklärt das Bild oben. Ein deutlicheres "In was bin ich da reingeraten?!" habe ich in einem Gesicht lange nicht gesehen.

Die Dems würde da garantiert mitmachen und die Sache ins Rollen bringen. Der reaktionäre Haufen, der bei denen derzeit noch den Ton angibt haßt Trump ebenfalls (arme Sau, niemand mag ihn) und sieht seine Anti-Wall-Street-Rhetorik genauso. Und er hatte die Frechheit, eine Frau vom Präsidentenamt abzuhalten. Er hat Hillie zum Weinen gebracht!!!

Das Establishment duldet keine Außenseiter, und Trump ist angreifbar, extrem angreifbar. Er ist ein Drecksack mit einer unverhohlenen Drecksack-Vergangenheit. Entweder er tanzt, wie er tanzen soll, oder er ist zu nächster Gelegenheit das schöne Weiße Haus los.

Im Falle des Impeachments übernimmt dann Vize Pence, ein reaktionärer Hardliner, gegen den die derzeitige polnische Regierung wie ein VW-Bus voll atheistischer Hippies wirkt. Das System schützt sich selbst. Und die Dems würden das als Sieg feiern, die Nasen bei uns genau so. Dabei würde es noch schlimmer; die schlimmsten Aspekte des Status Quo kombiniert mit den wirrsten Ideen Trumps und einer aggressiven, "göttlich inspirierten" Imperialpolitik militärischer Stärke.

Thanks, Donald


Singer and Songwriter Leonard Cohen hat es dann dieses Jahr auch noch gerissen. "If you are the dealer than I'm out of the game." Wahrscheinlich hat ihn beim Sieg Dessen-der-nicht-genannt-werden-soll der Schlag getroffen. You want it darker.

Donnerstag, 10. November 2016

Sysiphos, Syphillis oder Pyrrhus?

Während das Alte stirbt, zögert das Neue sich zu zeigen, und aus dem Zwielicht dieser Ungewißheit treten Monster hervor. (Antonio Gramsci, mehr oder minder)
Sie hatten alles in Stellung gebracht: Fast alle Medien, sogar Fox und sogar Glenn Beck (!!) trommelten für Hillary, Dutzende Promis wie Beyoncé und sogar Bruce "Der Sänger im Roggen" Springsteen standen singend hinter ihr, dazu Wall Street und eine entsprechend gefüllte Kasse, die die des Herausforderers bei weitem übertraf.

Diese geballte Macht des Establishments war nicht in der Lage, ein vulgäres Tinhorn aufzuhalten, das den rüpelhaften, großspurigen, ignoranten "Amerikaner" mit jeder Faser seines Seins verkörpert und dazu mit kleinen schwitzigen Patschepfoten grapscht. Trotz all seiner Skandale (aufbereitet von John Oliver) kam es wie seit Mai erwartet.
Hillary Clinton, und hier lege ich mich schon mal fest, wird nicht die nächste Präsidentin der vereinigten Staaten. (...) In einem direkten Duell Trump vs. Clinton tippe ich auf einen Sieg Trumps in der Höhe von Reagan gegen Carter 1980, also 40 Staaten.
Naja, Pussygate hat den Erdrutschsieg dann verhindert.

Aberwitzigerweise ist das ein Sieg der Demokratie über die Oligarchie innerhalb des von der Oligarchie gesteuerten Systems. Es ist ein großer Sieg. Und er bringt uns Trump. Es ist ein großer Sieg mit großen Opfern. 

Es hätte nicht sein müssen, hätte Hillary Clinton nicht in (illegaler) Zusammenarbeit mit der demokratischen Parteiführung Sanders im Nominierungsrennen betrogen. Aber die Befriedigung der persönlichen Begierden stand den Clintons schon immer näher als so läßlich-lächerliches Zeug wie Demokratie. Dem Clinton'schen Anspruchsdenken hatte sich alles unterzuordnen, und in einem Anfall von Lemmingmismus mit akuter Blödheit als Begleiterscheinung zog die Parteiprominenz mit.
"Was der Trug gewann, der ungerechte, kann nicht dauernd sein."
Sanders hätte wahrscheinlich den Rustbelt gehalten, vor allem Ohio, und einen sehr viel höheren Voter turnout erreicht. Um einen gewieften Demagogen wie Trump zu schlagen, brauchst du eben einen Vollblutpopulisten (und nein, lieber Bürger, "Populismus" ist nicht bah, wie die Medien erzählen, sondern im Gegenteil die eigentliche Aufgabe eines Politikers in einer Demokratie).

Aber sie haben den alten Sozialdemokraten gefoult. Jetzt ist Donald J. Trump der President-Elect der Vereinigten Staaten. 

Siege können sehr bitter schmecken. Und manchmal fallen sie dir auf die Füße.

Mittwoch, 9. November 2016

Sechs Kugeln für den Manitou

Ziemlich ruhig hier die letzten Wochen, ich weiß. Ich hab einfach zuviel um die Ohren. Während im Hintergrund CBS, ORF und WHUT-TV laufen und über Ohio berichtet wird, ein kleiner Einblick über etwas, was ich gerade ausarbeite. 

Neben Wasterunners (ja, die genaueren Systemeinblicke kommen noch) hat mir der Wahlkampf in den USA mal wieder Lust auf Deadland: Reloaded gemacht. Ich arbeite gerade ein DL:R-Modul für Seasoned Charaktere aus. Wenns Spaß macht, wirds das dann auch voll ausgearbeitet als Download hier im Blog beim spielbaren Material geben. Der Cover-Blurb für "Sechs Kugeln für den Manitou" liest sich ungefähr so:

Manchmal sind die Geschichten, die das Leben schreibt, einfach. Ein Betrunkener erschießt einen unbewaffneten Zwölfjährigen. Die Mutter des Jungen, eine Bürgerkriegswitwe, will Gerechtigkeit. Der Town Marshal verhaftet den Mörder.

So weit so gut.

Der Mörder, Aaron Caine, überwältigt Marshal Charles Bonner, flieht aus dem Gefängnis von Beaver, Oklahoma, schnappt sich ein schnelles Pferd und macht rüber ins Blutige Kansas, wo sich seine Spur zunächst verliert.

So weit so schlecht.

Und jetzt wirds kompliziert. Hatty McDaniels, die Witwe von Captain Kurt McDaniels und Mutter des ermordeten Kurt Jr. glaubt nicht so recht an die Geschichte von Marshal Bonner. Sie vermutet, der Marshal habe sich bestechen lassen oder gar Schlimmeres. Sie glaubt auch nicht mehr, daß das Ganze ein Mord im Vollrausch war.

Irgendwas ist faul in Beaver, Oklahoma. Mrs. McDaniels will wissen, was. Und sie will Gerechtigkeit. Sie will Aaron Caine, lebend, für eine Aussage. Das ist ihr 5000 $ wert.

Dienstag, 25. Oktober 2016

"No, Elfstar. NOOOOOOO!"

Wieder einer von uns gegangen. Jack T. Chick biß ins Gras, und Elfstar hüllt sich in Schwarz. Der Verfasser des schönsten Haßpamphlets über Dungeons & Dragons (in dem Tom Hanks nicht mitspielt) starb am 13. Oktober. Ihm gebührt der Verdienst, das ein Haufen Amis (und Aussies) in Lala-Land davon ausgeht, daß Rollenspieler fast so gefährlich sind wie Juden, Freimaurer und Katholiken. Immerhin lernen wir ab Stufe 8 ja die richtigen Zauber.

Rest in Pieces, Chick. Marsch ins Gärtchen, Grube zu, gute Ruh. (Und wer Dark Dungeons wirklich nicht nicht kennt: Hier.)

Update: Sieht aus als würde die Chick-Seite seit heute mittag massiv Zugriffe verzeichnen und nur noch sehr sporadisch antworten. :D

Freitag, 21. Oktober 2016

Windelarithmetik

Ach ja, die deutsche Lückenpresse. Dritte Debatte geschaut, nix verstanden. Also geht der deutsche Journalist flink auf CNN (Clinton's Nice News) und schaut sich deren wirre Postdebattenschalte an. Auch da versteht der deutsche Journalist nichts, aber er hat einiges mitgeschrieben. Das kann er ja dann publizieren.

Anyway - laut der deutschen Presse war der Hauptaufreger der Debatte, ein gewisser Donald J. Trump. In der Welt, einem der Fachblätter für Transatlantiker, staunt der Berichter:
Zum Pflichtstudium für jedes künftige Politikseminar in den USA beförderte Donald Trump den 19. Oktober 2016 durch seine Weigerung, sich zur Anerkennung des Wahlresultats am 8. November zu bekennen.
Tja, und hier Kinder am praktischen Beispiel: So sieht die Kernschmelze einer vereinsamten Hirnzelle aus. Entweder der Kollege, der den Artikel geschrieben hat, ist schweren, bedauerlichen Limitationen unterworfen, oder er betreibt die für sein Blatt übliche Propaganda für die Falkenmumie mit dem Hartgreifergrinsen.

Man verlangte von Trump nix anderes, als daß er eine Carte Blanche abgebe und das Wahlergebnis ungeachtet aller Begleitumstände anerkennen wird.

So, als hätte es Florida 2000 nie gegeben. So, als hätte JFK's Daddy die Wahl nicht manipuliert. So, als hätte Clintons Team nicht massiv die Vorwahlen verschoben. Ja. Klar. Solchen Leuten wie den Clintons (und den Bushes und den Kennedys...) gibt man Carte Blanche und Vertrauensvorschuß. Und anschließend sägt man sich einen Fuß ab und klettert in einen Bärenkäfig. Wird schon nix passieren.

So, und für Fortgeschrittene verlinken wir auf den Augstein, der euch verklickert, warum alle Nicht-Amis beten sollten, daß im November eine vollgeschissene Windel wie Trump gewinnt. (Spoiler: Vollgeschissene Windeln sind weniger gefährlich als Dynamitpackungen mit brennender Lunte.)

Samstag, 8. Oktober 2016

Wer nicht für Hillary stimmt, ist ein privilegiertes Schwein

Die Wahlen in den USA sind die offenkundigste Demokratiefarce, die ich seit Jahren erleben durfte. Mit Clinton wurde die einzige Kandidatin aufgestellt, die von Trump geschlagen werden kann, und mit Trump der einzige Kandidat, der von Clinton geschlagen werden kann. Die Vorwahlen beider Parteien waren ein Rennen in den Abgrund, ein Exemplum von dumpfen Ressentiments auf der einen (Trump) und kriminell zu nennender Energie auf der anderen Seite (Clinton).

Was bleibt? Vote for the lesser evil, stimme für das kleinere Böse. Das ist momentan noch die einzige Taktik, die Hillary fährt. Angst vorm bösen Donald schüren. Die Wahl des kleineren Übels ist das, was spätestens seit der Wiederwahlkampagne von Bill Clinton 1996 die normale Tonlage bei Präsidentenwahlen darstellt.

Aber dieses Jahr, da so vieles anders ist, wird wohl auch das nicht klappen. Viele Independents (und 'ne Menge Dems) haben mittlerweile geschnallt, daß eine Stimme für das kleinere Böse immer noch eine Stimme für das Böse ist. Folgerichtig sind die Drittparteien im Aufwind, was von einigen Medien aber schon fast panisch verschleiert wird. (Wer des Englischen nicht so mächtig ist: Es scheint als würde zumindest in Einzelfällen CNN beispielsweise in ihren Fokusgruppen Abstimmungen für eine Dritte Partei als "Unentschlossen" werten.)

Die Indies sind nicht zuletzt eine große Menge jener Sanders-Anhänger, die miterleben durften, wie der DNC und Clinton den freundlichen Herrn mit schmutzigen Tricks um die Nominierung brachten.

Also verlegt sich die Hilluminator-Kampagne jetzt auf einen perfiden Trick. Sie will die jungen Wähler in eine Stimmabgabe für sie förmlich hinein schämen und aktiviert dazu die bedingten Reflexe, die in jahrelanger Unterordnung unter ein kryptofaschistisches System vorgeblicher Liberalität herangezüchtet worden sind.

Wer eine dritte Partei wähle, vorzugsweise die Grünen und deren progressive Kandidatin Jill Stein (die keine Impfgegnerin ist, vielen Dank), der tue das, weil er weiß sei und "privilegiert". Wenn Du Dein weißes "Privileg" nicht mißbrauchen und solidarisch mit Deinen nicht-weißen Mitmenschen sein willst, dann stimmst Du für Hillary Clinton.

Klar. Die ist erdnußfarben, unterprivilegiert und hat Schwarze nie als "Superraubtiere" bezeichnet. So siehts aus.

Das ist die pure nackte Verzweiflung, die aus solchen Surrogate-Kampagnen spricht. Das kann und wird in Einzelfällen sicher funktionieren, nackte Panik bleibt es trotzdem. Ich bleib bei dem, was ich schon im Mai gesagt habe, lange vor den Nominierungen.
Hillary Clinton, und hier lege ich mich schon mal fest, wird nicht die nächste Präsidentin der vereinigten Staaten.
Mal gespannt, wer 2020 gegen Präsident Donald J. Trump I. antreten wird.

Mittwoch, 5. Oktober 2016

An der Tankstelle

Kunde: "Oh, die tote Frau mit dem Herzinfarkt. Die hab ich schon."
Verkäufer: "Soll ich nach einer anderen Packung suchen?"
Kunde: "Mir fehlen der verfaulte Fuß und das Baby mit dem Zigarettenschnuller."
Verkäufer: (wühlend) "Ne... ne... Nur die Frau mit Herzinfarkt. Moment. Ja. Hier. Eine Mutter, die Zigarettenrauch auf ihr Kind bläst."
Kunde: "Das ist mir als Sujet zu deprimierend. Dann nehm ich das hier. Vielleicht kann ichs ja tauschen. Und ein Snickers."

Die Schockbilder auf den Tabakpackungen zeigen bei mir (und etlichen anderen) offenkundig nicht die erhoffte Wirkung.

Mittwoch, 28. September 2016

Nabelschau zu Wasterunner - Teil I Spielmaterial

Es wurde der ein oder andere Wunsch geäußert, etwas mehr über Wasterunner und auch über das Spielmaterial in der Box zu erfahren, nachdem ich diese letzt "unpacked" habe. Vorweg: Das System wird online gestellt werden, sobald es ordentlich durchgetestet und entsprechend (falls notwendig) überarbeitet wurde. Das wird früh nächstes Jahr der Fall sein.

Dann ist aber auch ein kleines Intro-Abenteuer rund um die Wasserversorgung von Fort Hawthorne enthalten, und gut gelaunt, wie ich bin, schmeiß ich noch Mutanten, eine Atombombe und einen undurchsichtigen Gelehrten der Grauen Zitadelle in den Mix.

Jetzt aber zum Material in meiner kleinen Box, die sich so leider nicht zu einem publikumsfähigen Preis wird produzieren lassen. Das meiste ist natürlich Standardware, wie z.B. ein kompletter Würfelsatz inkl. W5 und W3.

Dienstag, 20. September 2016

Unpacking Wasterunner

Heute kam dann endlich auch das Regelbuch zu Wasterunner und mein Kram ist damit komplett.

Modernisiertes Retro-Design, 8 Klassen, 6 Kulturen, Talente, Mutationen, Merkmale. Explosive Fahrzeugschlachten, Schießereien, Duelle und Gefahren hinter jeder Ecke. Wasterunner schickt den Gunslinger auf die Fury Road.

Zwei lange Sessions hats bisher überstanden und es besteht wenig Bedarf, da noch zu schrauben. Das darunterlaufende System ist eben robust und eingängig. Acht Wochen von der Konzeption zum gedruckten Beta-Regelbuch. Ich bin zufrieden.

Montag, 19. September 2016

Die Ausflüchtlinge.


"Die gemeinsten Meinungen und was jedermann oft für ausgemacht hält verdienen am meisten untersucht zu werden." (Lichtenberg)

Frau Merkel ist ja bekanntlich Physikerin. Als solche verfügt sie allerdings über eine ausgesprochen verdorrte Analysefähigkeit oder über ungewöhnlich viel Perfidie. Sie hat heute zum Berliner Debakel Stellung genommen, und es war, natürlich, der Flüchtling mal wieder daran schuld, daß das "bürgerliche Lager" förmlich massakriert wurde. Was hab ich gelacht, als die Hochrechnungen kamen. Frau Merkel jedenfalls ließ heute folgendes verlauten.
Gleichzeitig ging sie auf ihre Kritiker zu: Einige hätten das Gefühl, sie treibe das Land in eine Überfremdung, dass Deutschland bald nicht mehr wiederzuerkennen sei. Es wäre unlogisch, mit Fakten zu kontern. "Ich möchte dem meinerseits mit einem Gefühl erwidern". Merkel weiter: "Ich habe das Gefühl, dass wir aus dieser Phase besser herauskommen, als wir hineingegangen sind. Deutschland wird sich in seinen Grundfesten nicht verändern. Wer, wenn nicht wir, sollte fähig sein, etwas Gutes aus dieser Zeit zu machen." 
Lassen wir die Präferenz der Kanzlerin für gefühlte Wirklichkeit mal beiseite, die ganz für sich übrigens auch recht beunruhigend ist. Sie impliziert hier: Gäbe es die Flüchtlingskrise nicht, dann stünde die Koalition bombig da.

Böser Flüchtling.

Überfremdung war in den beiden Wahldebakeln in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin NICHT der entscheidende Faktor. In beiden Wahlen gaben Umfragen als wahlentscheidend SOZIALE und auch wirtschaftliche Probleme an, deren Lösung der Einheitsliste Großen Koalition nicht mehr zugetraut wird. Gerade in der Hauptstadt wird das offenbar, die aufgrund des deutschen Austeritätswahns praktisch zerfällt, während jeden Tag 1 Million Euro in der Berliner Erlebnisruine verklappt werden.

Die CDU und bereits länger die SPD werden für eine Politik gestraft, die das Land sozial verödet, ausblutet und verarmt. Die Große Koalition und davor Rot-Grün haben diese Republik schlimmer zugerichtet, als es eine Flüchtlingswelle überhaupt könnte. Und dafür erhalten sie die Quittung. Aber die Flüchtlinge bieten der Kaste der Berufspolitiker, die offenkundig in einem Paralleluniversum leben, eine weitere Möglichkeit, kognitive Dissonanz zu betreiben.

Es ist nicht unsere scheißasoziale Politik, kann sich diese Kaste nun sagen, ein Teil der Deutschen ist einfach fremdenfeindlich und wir sind einfach weltoffen und nett. So nett. Also weiter so.

Fundamentale Kritik wird somit zu Rassismus abgewertet. SPD / CDU /Grünen sind eine Menge Wähler abgesprungen. Wäre Merkels simple Gleichung gültig ("Flüchtling wars"), dann hätten die ja alle zur AfD rennen müssen. Die meisten rannten aber NICHT zu den Neurechten. CDU und SPD haben zusammen brutto 174.000 Stimmen verloren, davon gingen weniger als die Hälfte an die AfD (63.000).

Die Vollsparren von der AfD sind ein neoliberaler Narrenball mit völkischen Stickmotiven an der Wand. Aber daß dieser Haufen ausgerechnet von dem gewählt wird, was von der "Arbeiterklasse" und vergleichbaren Milieus übrig geblieben ist, wurzelt  auch weniger in der Flüchtlingspolitik, als vielmehr in der Sozialpolitik, die genau jene Klasse in die Existenzangst treibt. Misch in diese existenzielle Verunsicherung Szenen wie Köln, dann hast Du Sprengstoff, den rechte Rattenfänger ausnutzen können. Zumal diese Milieus seit Anbeginn der Bundesrepublik die schizophrene Tendenz haben, gegen ihre eigenen Interessen zu stimmen, wie es hier geschieht. Und mehr gegen eigene Interessen als für die AfD können sie nicht stimmen.

Ach ja, miese Bildungspolitik und Kürzungen bei der Bildung helfen den Rechten natürlich auch immer. Je dümmer ein Volk, desto leichter zu "führen". Und eines kann eine Rattenfängerpartei in einem Land der Ungleichheit natürlich immer nutzen: Wenn es an den Trögen eng wird, zücken die Schweine das Messer und gehen aufeinander los, statt auf die, die sie knechten.


Dienstag, 13. September 2016

Heißgelaufene Cyberkandidatin?


Bernie Sanders. Der einzige, leider ehemalige, Kandidat ohne physische oder geistige Ausfallerscheinungen.

Im Gegensatz zu diesem, ging es heute dann auch in den deutschsprachigen Medien rum: Kandidatin Hillary Clinton ist heißgelaufen und mußte zur Wartung, weil sie Metallteile verliert.

Es nur ein kleines Teil, Ersatz sollte rasch zu beschaffen sein.

Viel beunruhigender finde ich, daß auf vielen Seiten der Bekloppten und Bescheuerten Ultrakonservativen Gerüchte über Clintons Hirnschläge kursieren. Auch wenn ich das als ausgleichende Gerechtigkeit ansehen würde angesichts der Stammhirnblutungen die mir ihre Auftritte bescheren, hat man als Vollhonk Teaparty-Mitglied natürlich eine weitere Erklärung parat:

Satan.

Die sind nicht zu retten. Die wollen das auch gar nicht.

Donnerstag, 1. September 2016

Area 51 - Top Secret

Normalerweise rede ich nicht über Kickstarter. Viele Projekte entblößen etwas, was ich nicht wissen will. Wenn z.B. Monte Cook in leere Numenera Boxen haucht und die dann zu 60 $ oder so pro Stück verkauft, entblößt ein Kickstarter die Dummheit vieler Mitmenschen. Muß ich nicht haben.

Gerade deswegen aber schreib ich hier aber ein paar Takte über Area 51 Top Secret. Das ist ein schickes kleines, deutsches Produkt von den Leuten hinter dem Spielematerial-Versand. Taktisches Brettspiel mit Roswell als Thema. Schön gestaltet, gut ausgestattet, solides Spielgerüst, wie die auf der Kickstarter-Seite herunterladbaren Spielregeln zeigen. Das Projekt ist das Resultat eines Design-Wettbewerbs, das nun realisiert wird.

Die Zielsumme ist mit 6000 Euro angenehm niedrig. 55% haben sie zum derzeitigen Zeitpunkt, mit 65 Unterstützern. 65? Deutsche Spieleszene, schäm Dich. Da wird Geld zuhauf selbst noch auf den absurdesten, aufgewärmten Quark von anno dunnemals geworfen, und  so ein nettes, kleines Projekt findet gerade mal 65 Unterstützer.

Bis zum 16. September kann man sich noch einbringen.

Danke für Dein Interesse. Als Belohnung noch zwei ganz normale Minuten aus einer ganz normalen Episode meiner Lieblingsserie. "Jesus loves marijuana, drinking human blood." Damn, I miss it.


Mittwoch, 31. August 2016

Loot-A-Day: Möge Robert Koch mir verzeihen

Schätze, das sind doch die tollen Bling-Bling-Sachen, die meinen Charakter so badass und cool machen, gelle. Eeeeeeh, jein. Meistens. Nicht immer. Manchmal holst Du Dir ein verfluchtes Schwert. Oder eine Krankheit. Nachfolgend ein Baukasten für Krankheiten in Old-School D&D, den ich für meinen Post-Apokalypse-Hack Wasterunner entworfen habe.

Seuchen für OSR-Spiele.

Das System besteht eigentlich nur aus eine Tabelle mit folgenden Einträgen.

RW: Wenn man der Infektionsquelle ausgesetzt ist – kranken Personen, schmutzigem Wasser, schmutzigen Waffen, Fiebermücken etc. - ist ein RW notwendig. Der hier angegebene Wert ist ein Bonus oder Malus nach Virulenz der Erkrankung, bei Gelbfieber z.B. Bonus +4, da die schwere, hämorrhagische Form selten auftritt. Mißlingt der RW, dann ist der Charakter infiziert.

Zeitverlauf: Hier sind drei Werte, nämlich zunächst die Inkubationszeit, in der sich der Charakter vielleicht etwas kränklich fühlt. Man weiß noch nichts, kann aber prima andere anstecken. Dann folgt die akute Phase, während der die Symptome auftreten und sich täglich der Tod freundlich nach dem aktuellen Zustand erkundigt. Danach kommt noch ein Rekonva­leszenz-Wert. Der Charakter unterliegt in dieser Zeit der Erholung dem Zustand Erschöpft (kurz: Ini-1, W20-Würfe -3).

Unbehandelt: Ohne Behandlung wird jeden Tag diese Chance geprobt, ob der Charakter stirbt.

Behandlung: Der entsprechende Medizinwurf erfolgt an jedem Morgen der Behandlung. Der erste Wert in der Spalte gibt einen möglichen Malus oder Bonus an. Ist der Wurf erfolgreich, wird die Sterbechance an diesem Tag um den zweiten Wert der Spalte heruntergesetzt.
Der Modifikator der Medizinprobe setzt ein einiger­maßen ausgestattetes Krankenhaus voraus. Steht dies nicht zur Verfügung sondern nur ein Notfallkoffer, dann gilt dieser als „improvisiertes Werkzeug“ der Talent­probe. Hat man nicht mal einen Notfallkoffer, dann kann man eigentlich nur noch zuschauen und etwas Linde­rung geben.

Zum Vergrößern anklicken
Krankheiten heilen: Ja, das ist einer dieser Kleriker-Zauber, die einem SL jeden kleinen Streich so richtig vermiesen. Da hilft nichts, außer Streichen, wer das möchte. Aber ganz ehrlich: Es gibt "gute" Religionen, es gibt "Krankheiten heilen" und "Wasser und Nahrung erschaffen" bei D&D, und trotzdem sind in den meisten Settings Hunger, Elend und Krankheit an der Tagesordnung...


Dienstag, 30. August 2016

Ach leck mich doch!



Der Sensenmann ist fleißig dieses Jahr. Nun hat er sich Gene Wilder geholt. Jetzt weiß ich wieder nicht, was ich gucken soll. Silver Streak? Young Frankenstein? The Producers? Blazing Saddles? Ach, leck mich doch, bei dem Tempo kann doch keiner mithalten.

Bye-bye, Gene. "I'm wet. And I'm still hysterical!"




Samstag, 13. August 2016

Und wieder einer

Kenny Baker, der originale R2D2 ist nicht mehr. Er starb im reifen Alter von 83 Jahren, also nicht eben überraschend.

May the Force be with you - always.

Donnerstag, 11. August 2016

Cinéma des Ghoules

Definitiv ist die Murnau-Stiftung in Wiesbaden nicht ganz unumstritten, wenn es um das Aufarbeiten von Kinotoxinen der Nazi-Zeit geht. Ebenso unumstritten leistet die Stiftung teilweise Großartiges bei der Wiederherstellung verlorener Kulturschätze der Stummfilmzeit. Metropolis haben sie in dieses Jahrtausend gebracht, und jetzt hatte ich das Vergnügen einen anderen Klassiker zu sehen.

Wienes Cabinet des Dr. Caligari gilt als Meilenstein des expressionistischen Kinos. Ich kannte eine ältere Restauration bereits, aber die sorgfältig viragierte, vollständige 4K-Fassung auf Blue-Ray der Murnau-Stiftung aus dem Jahre 2014 ist ein echter Augenöffner. Die Bildschärfe dieser Version enthüllt eine Fülle an Nuancen und Details und entfaltet einen Sog aus Chaos, Verzerrung und Desorientierung. Wie er 1920 auf ein optisch und narrativ noch unerfahreneres Publikum gewirkt haben muß, kann ich mir nicht vorstellen, zumal Caligari auch der erste abendfüllende Film mit einem Twist-Ending sein dürfte.

"Caligarismus" ist ein Begriff der 1920er, der diese Ästhetik aus Licht, Schatten und optischer Ungewißheit beschreibt, die den kompletten expressionistischen Stummfilm durchzieht. Caligaris Einfluß auf die Entwicklung des US-amerikanischen Horrorfilms - sowohl kommerziell als auch avantgarde - ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Der Einfluß dieser Kino-Epoche ist international auch heute noch spürbar. Tim Burton und Terry Gilliam, um mal zwei Regisseure zu nennen, zeigen starke Einflüsse in einigen ihrer Werke.

Wer Filme der oben erwähnten Epochen mag, dem sei auch hier - ich habs bestimmt schon getan - der Roman Flicker von Theodore Roszak absolut empfohlen. Er behandelt die Faszination eines Filmwissenschaftlers für einen morbiden Stummfilmregisseur und verstrickt sich in eine okkulte Verschwörung globalen Ausmaßes. Hinreißend geschrieben, spannend von Anfang bis Ende und durchtränkt von Filmphilosophie, Hollywood-Tratsch und überraschenden Wendungen.


Montag, 8. August 2016

Weltkatzentag 2016!


Media Monday #267

Hey, guck mal, das kann ich auch noch. Ein Media Monday, seit langer Zeit mal wieder.


1. Harrison Ford werde ich wohl immer mit Indiana Jones verbinden, denn - Wirklich? Ich soll das begründen? Momentan schwirren immer noch die grusligen Remake-Gerüchte mit Chris Pratt durch die Gegend. Durchatmen. Tief. Raiders of the Lost Ark in den Player werfen und sich das Ganze mit Chris Pratt vorstellen. Eimerchen bereit halten.

2. Sommer- und/oder Urlaubslektüre ist nur eingegrenzt möglich, denn das ist die Zeit, wo meine Frau, weit oben auf der Liste der verschrobenen Arten, mich zwingt, im Garten zu schuften. Naja, so ein bißchen. Hatte schon Zeit zum Lesen. Hohlbeins Megidda-Zyklus nach langen Jahren mal wieder ausgepackt (besser, viel besser als erwartet), und vor mir liegt auch noch White's monumentale Biographie A. Lincoln.

3. Bei schönem Wetter fällt es mir ja wahnsinnig schwer. Puh. Ich hasse es arrogant zu sein, aber meine Tätigkeiten (außer Erntearbeiten und Sturmsicherungen) werden in der Regel nicht vom Wetter bestimmt. Derlei Probleme hab ich nie verstanden.

4. Das Rollenspiel Numenera hätte ich mir echt ganz anders vorgestellt, schließlich singen ein Haufen Leute, die ich sehr schätze, ein Loblied. Angesichts dessen, daß Monte Cook hier einen lauen Aufguß bombiger 1970er-Jahre-Fantasy liefert, gehe ich davon aus, daß sie unter Frage #7 leiden und werde das nicht gegen sie verwenden und sie weiter wertschätzen. Ach ja, das Regelsystem selbst ist auch noch sehr Cook-typisch, also komplett verkorkst. Der Mann sollte Beratungskolumnen im Goldenen Blatt schreiben und die Finger vom Rollenspiel lassen.

5. Momentan bin ich ja von Outcast ziemlich angefixt, denn diese Mischung aus Twin Peaks, Stephen King, Clive Barker und religiösem Wahn liegt mir einfach. Da fühl ich mich zuhause. Sagt das was über mich aus?

6. Fantasy ist ja so ein Genre, von dem ich nie genug kriegen kann, immerhin ist es das Genre, das meinen Eskapismus an meisten befeuert. Aber Pausen davon müssen sein.

7. Zuletzt habe ich die Serie Brain Dead angefangen, und das war ist cool , weil Ridley Scotts bizarre Mischung aus Politsatire, One-Camera-SitCom und Körperfresser kommen auf einer mentalen Ebene funktioniert, die ich noch nicht ganz begreife.

Dienstag, 2. August 2016

Hier bin ich Kind, hier darf ichs sein.

Von den seit einigen Jahren gängigen Bestrebungen, "kindgerechtes", also in der Regel unnötig simplifiziertes Käseglockenrollenspiel zu leiten oder zu entwickeln, halte ich aus etlichen Gründen gar nix, zumal einige Produkte höchst zweifelhafter Natur im Zuckerguß daherkommen.

Spannend aber könnte es sein, dachte ich mir gestern abend, in einer desolaten Welt wie der der Wasterunner einen Kindercharakter in die Gruppe zu integrieren. Ich stelle mir das ein wenig wie Short Round in Temple of Doom vor, da ging es ja auch ordentlich zur Sache.

Ein Kind hat Nachteile. In einer wettbewerbszentrierten Gruppe ist das daher nicht zu empfehlen. Bei Gruppen die gleichen oder sogar mehr Wert auf Charaktere, ihre Entwicklung, ihr Verhältnis zum Setting und ihre emergente Geschichte legen, müßte es hingegen funktionieren.

Nachfolgend ein Kinder-Template, gebaut für meinen OSR-Hack Hic Sunt Dracones, aber weitgehend kompatibel zu allen Varianten von altem D&D. Ich bin gespannt, wie es sich im Spiel machen wird, zumal ja meine Tutorialkampagne ebenfalls auf Kinder aufbaut.

Merkmal Kind (11 bis 15) für OSR-Klone

Eigenschaften die sich auf meine Hausregeln beziehen sind kursiv gesetzt.

  • Max. Stärke 12 (Höhere ermittelte Werte notieren, zuschalten beim Altern, s.u.)
  • Max. Konstitution 12 (dito)
  • Weisheit unverändert (weniger Erfahrung, aber etwas aufmerksamer und aufgeschlossener)
  • Int, Geschicklichkeit unverändert
  • Charisma unverändert, aber spezieller Bonus (s.u.)
  • +1 auf Heimlichkeit, +1 auf Klettern
  • +1 Bennie pro Sitzung
  • +1 Bonus auf Rüstungsklasse
  • +1 / +2 auf soziale Interaktion mit (vielen) Erwachsenen
  • +1 auf der Reaktionstabelle
  • -2 auf alle Proben gegen Angsteffekte und Schock
  • -1 auf Bildung und Wissenschaft
  • -2 im Nahkampf ungeachtet des Stärkewertes.
  • Im NK sind maximal Waffen von der Größe eines Kurzschwerts erlaubt.
  • Bögen entfalten ungeachtet der Stärke nicht ausreichend Wirkung .
  • Alle Feuerwaffen außer leichter Pistole, abgesägter Schrotflinte und normalen Gewehren unterliegen einem TW-Malus -2.

Um das 15. Jahr herum wird alle zwei Wochen einer dieser Aspekte weggenommen (Zufallswahl), Sind alle weg, entfällt das Merkmal und der junge Erwachsene nimmt sich stattdessen ein anderes, das seine Vergangenheit und Erfahrung widerspiegelt.


Montag, 1. August 2016

Loot-A-Day - wenn ich eh schon dran bin.

Da ich gerade beim Settingschwitzen bin, kommt mir die Loot-A-Day-Aktion sehr recht. Zweitverwertung sozusagen. Als erstes eine Rüstung aus der Welt der Wasterunners. Wer plündert nicht gerne die Rüstungen seiner Feinde.

Neo-Duster.

Gunslingers Liebling ist den Staubmänteln des Westens nachempfunden, allerdings aus Kevlargewebe gefertigt mit geschickt eingearbeiteten ballistischen Platten, die nicht nur für Schutz sorgen, sondern auch für den coolen Sitz des guten Stücks. Eine Mundharmonika steckt stets in der linken Innentasche.

Mal sehen, ob ich für jeden Tag was Spannendes finde.

Donnerstag, 28. Juli 2016

Live long and prosper, Chief Garibaldi

Wieder einer in diesem Scheißjahr. Jerry Doyle ist im zarten Alter von 60 Jahren von uns gegangen. In Deutschland war er vor allem bekannt als Sicherheitschef Michael Garibaldi der Raumstation Babylon 5, einer der epischsten TV-Serien aller Zeiten.

Silent Green

Wenn man die Zutaten für einen Mai Thai nicht im Hause hat, aber Bock auf einen, dann muß man halt mal schauen. Mit etwas Tüfteln kam ich dann auf folgendes Rezept:
3 cl Wodka
2 cl Gin
2 cl Curacao Blue
2 cl Limettensaft
1 cl Zuckersirup
4 cl Orangensaft
3 cl Ananassaft
2 Tropfen Mandelaroma (Backaroma)
2 Tropfen Rumaroma (Backaroma)
Das Ganze mit 7 bis 8 Eiswürfeln gut shaken und vollständig (also mit Eis) in ein Caipirinha-Glas gießen. Das Ergebnis war von absurd-grüner Farbe mit wünschenswertem Schaum und einem Geschmack, der dem Mai Thai ähnelt, aber eigenständig und durchaus angenehm ist.

Kann man trinken und Vitamine hats auch.

Wasterunner - Adventure after the World has ended.

"Ich möchte mal Fallout spielen." Ich mag es, wenn Spieler klare Wünsche äußern, und ich spiele auch gerne diese Wunschtitel, wenns möglich ist. Natürlich, natürlich werde ich nicht einfach ein Computerspiel eins-zu-eins in ein Rollenspiel umsetzen. Sowas macht mir wenig Spaß. 

Die (für mich) entscheidenden Setting-Elemente von Fallout sind die Vaults, die Reste an Technik und Zivilisation, verschiedene Fraktionen und Orden sowie natürlich die postapokalyptische Endzeitstimmung. Das sind schon einmal starke Zutaten. Geb ich das in meinen Kampagnenmixer, muß ich da natürlich noch nachstellen.

In den Mixer damit

Ich übernehme die obigen Elemente aus Fallout und rühre da hinein Mad-Max-Ästhetik, Stephen Kings Meisterwerk The Dark Tower und die Gruppendynamik von Shadowrun. (Den einleitenden Setting-Text gibts unten.) Dann erhalte ich:

Genre: Postapokalyptische Endzeit mit Wumms. Die Spielercharaktere ("Wasterunner") bilden eine Söldnergruppe in einer anarchistischen Welt voller Gewalt.
Thema: Tatsächlich "Moral" und inwieweit sie in einer sterbenden Welt eine Rolle spielt. Die SC können dabei sehr frei in ihrer eigenen Gestaltung sein (sollte aber eine funktionsfähige Truppe ergeben), denn wie auch Shadowrunner decken Wasterunner das komplette moralische Spektrum ab.
Setting: Endzeitwüste mit Strahlung und Resten an Zivilisation und Technik. Grundsätzlich eine Jeder-geger-Jeden-Welt aber mit Interessengruppen (Siedlungen, Orden, Bünde, Organisationen, Gangs).
Zentraler Konflikt: Da immer die Chance besteht, daß aus einem One-Shot eine Kampagne wird, behalte ich den mal noch für mich.

Donnerstag, 21. Juli 2016

"Stets Welten in anderen Welten." - Vom Kampagnen bauen Teil I

Sprich mir nach: Meine
Kampagne ist weder Film
noch Buch!
by anab.deviantart.com/
under CCL 3.0
In einem späteren Artikel gehe ich genauer auf die Gestaltung eines solchen Mikrokosmos ein und stelle ein System vor, mit dem sich so ein Setting schnell und einfach bauen läßt. (Klar spiel ich auch Nazis)
Dies ist der versprochene spätere Artikel, d.h. einer der späteren Artikel. Seit jeher bin ich der Meinung, daß der Schauplatz des Geschehens einen gleichwertigen Rang neben dem Geschehen um die Spielercharaktere einnimmt. Eine gute Kampagnenwelt – sei es ein Reich, ein Kontinent oder ein Dorf - lebt und lebt vor allem ganz ungeachtet der Spielercharaktere und ihrer Handlungen. Sie ist, sie war, sie wird sein.

"I'll make it up as I go along." - Indiana Jones

Ach ja - „schnell und einfach“ im obigen Zitat ist nicht ganz zutreffend. Hier geht es um ein zentrales Thema im RSP-Selberbau: Wie entwickele ich eine Kampagne von den ersten Ideen über Regel- und Settingbau hin zu spielbereiten Inhalten? Das Setting innerhalb einer Kampagne ist ein zentraler Bestandteil, wie gesagt vielleicht der wichtigste neben Mitspielern überhaupt. Aber es ist vollkommen wertlos ohne die Kampagne, der es dient.

In einer Artikelreihe möchte ich meine best practices, gewonnen aus harten, leidvollen Erfahrungen und unvermuteten Triumphen, vorstellen, mit denen ich Kampagnen baue. Das ist kein sonderlich geplanter Text. Ich überleg mir das alles unterwegs.

Samstag, 16. Juli 2016

Outcast


Nach den ersten beiden Folgen sehr angetan bin ich von Outcast, einer Comic-Umsetzung als Mini-Serie von, eh, jemandem, der Comics verfaßt. Oder Graphic Novels. Oder Bilderbücher für Erwachsene, ich bin nicht so drin in der Materie, merkt man.


Nicht komplett serialized schaut sich das wie eine Mischung aus Stephen Kings frühen Werken (It, Needful Things) und Twin Peaks mit deutlich religiösem Einschlag. Eigentlich sollte mir dessen Präsentation als Erlösung nicht schmecken, aber da ich mir nicht sicher bin, ob die zwei sehr fragwürdigen Protagonisten nicht mit einer extremen Form von Folie-à-deux einen ganzen Landstrich verseuchen, harre ich gespannt der Dinge, die da kommen mögen.

Auch wenn meine Folie-à-deux-Theorie nicht stimmen sollte, ist da auf alle Fälle eine gewaltige Prise Wahn und Wahnsinn drin, was sie mit Menschen anstellen, und wie sich das "vererbt". Stellenweise drastisch bebildert, ohne je richtig eklig zu werden (außer in der ersten Folge bisher), ist das sehr, sehr gut inszeniert.

Und Brent Spiner gibt den Satan, wenn ich das richtig absehe. :)

Freitag, 15. Juli 2016

Pink Ivan

(Hier sollte ein Photo sein. Als ich mit dem Apparat an den Tisch kam, war aber alles schon leer.)

Ich bin kein Freund von Frozen Margaritas. Zuviel Eis verwässert den Drink geschmacklich zu sehr und Tequila ist eine Spirutose, die man halt trinkt, wenn man nur Sukkulenten hat. Muß nicht sein. Der Pink Ivan umgeht das Eis-Problem. Er ist etwas aufwendiger in der Zubereitung, kann aber am Vortage schon gemischt werden. Statt Wodka sind auch weißer Tequila (wenn's denn wegen der Authentizität sein muß) oder weißer Rum möglich.

Zutaten für den Pink Ivan

  • 400g Wassermelonenfleisch (siehe unten)
  • 200 ml Wodka
  • 80 ml Limettensaft (kein Cordial!)
  • 100 ml Spezialsirup (siehe unten)
  • 4 frische Minzblätter

Zubereitung

Die Wassermelone am Vortag in Würfel schneiden und einfrieren. Vor dem Mixen aus dem Eisfach holen und solange antauen, bis sie gerade beginnt, druckweich zu werden.

Der Spezialsirup wird gekocht aus 100 ml Rohrzucker, 100 ml Wasser und 30 ml Mandarinenlikör (ersatzweise Triple Sec oder Curacao). Vollständig abkühlen lassen. Reste können für eine Woche und länger in einer kleinen Flasche aufbewahrt werden.

Alle Zutaten (auch die Minzblätter) in den Blender und auf hoher Stufe pürieren, bis alles zerkleinert ist. Abseihen in Champagnerkelche. Ergibt ca. vier Stück.

Wird für den nächsten Tag vorgefertigt, die Mischung über Nacht im Kühlschrank belassen, im Blender vor Servieren nochmal aufschäumen und dann in ein kleines Highball-Glas (240 ml) über 4 Eiswürfel seihen. Die Minznote ist dann deutlich intensiver.


Mittwoch, 13. Juli 2016

Mmmmh. Mmmmmmhhh....

Wenn man "Rollenspiel" annonciert und das beliebte Splittermond mit "SM" abkürzt, dann lädt man Mißverständnisse irgendwie ein. Als naive Seele muß man das lernen. Der Kavalier notiert und schweigt. Gilt das als genreübergreifend?

(Ich sollte die Maske des Meisters hier als Illustration verwenden.)

Freitag, 8. Juli 2016

Waldorfgestählt.

"Einmal ist die Idee, dass du als Gummibärchen gegen die Lakritzvampire antrittst, die die Kirsche von der Geburtstagstorte gestohlen haben, und die Spieler werden ausgesandt, um die Kirsche zurück zu bringen."
Wirklichganzehrlichecht? Damit will jemand 10jährige zum Rollenspiel bringen? Ich hab mit 10 Jahren Rollenspiel "gelernt", und weißt Du, was der Spaß daran war? Ich war kein machtloses Geschöpfchen mehr. Ich konnte Welten bewegen.

Hättest Du mir nach meinen ersten Begegnungen mit AD&D 1979 (Against the Giant Kings) sowas angeboten, hätte ich den Kopf schief gelegt und sehr höflich "Nein, danke" gesagt. Ich war ein sehr höfliches Kind. Für mich wärest Du einer dieser Onkel gewesen, die nach seltsamen Kräutern riechen, und deren eingewachsene Fußnägel aus den Birkenstöckern ragen, zumeist leicht gelblich verfärbt. Davon gab es Ende der 1970er einige.

Hört auf, Rollenspiel dazu zu nutzen, Kinder weiter zu infantilisieren. Kinder lieben es, muskelbepackte Barbaren oder eisgekühlte Zauberer zu sein, die Ärsche treten. Wenn ihr Nachwuchs wollt, nehmt das als Richtlinie. Mein Neffe (9 Jahre) hat sich aus der Splittermond-Box als erstes Telkin Feuerfaust ausgesucht. Warum? Der macht was her.

Good boy. Bei mir wirst Du Ärsche treten, keine Kirschen suchen.

Dienstag, 5. Juli 2016

Herr Gans im Polizeibericht.

Das ist Herr Gans. Sag "Hallo" zu Herrn Gans. Herr Gans ist selbstverständlich aus Freilandhaltung, ohne Stopfmast und ohne Lebendrupf.

Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme befindet sich Herr Gans bereits ca. 4 Stunden im Grill bei konstanten 100 bis 120 Grad Celsius durch indirekte Flamme. Die Temperatur beträgt 70 bis 75 Grad Celsius. Anvisiert sind über 80 Grad, also beschließe ich, Herrn Gans noch 60 bis 90 Minuten im Ofen zu lassen.

Der Geruch ist unbeschreiblich. Eine feine Würzung und eine Fülle aus leckeren Kräutern aus eigenem Garten.

Von dem was folgt gibt es verständlicherweise keine Bilder.

Bei so einer Grillerei schlängeln Gestalten in der Nähe des Grills, hooongrige Gestalten, auch wenn sie nicht Mordred heißen. Sie wispern voll Gier, die Kohlen seien soweit unten, dass man sie direkt unter Herrn Gans schieben könne. Das würde die Zeit halbieren, und cross würde er werden, mein Schatz, ja, so cross. Schieb die garstigen Kohlen unter Herrn Gans.

Wenn man selbst hungrig ist, klingt das irgendwann wie eine gute Idee. Also nix wie raus mit der Fettpfanne unter Herrn Gans, die Kohlen druntergeschoben und den Grill wieder verschlossen.

Der Polizeibericht hat das folgende Geschehen rekonstruiert.

Herr Gans faßt zu diesem Zeitpunkt noch eine Menge Gänsefett, das langsam auf die Kohleglut tropft und dort Flammen entfacht, die rasch höher schlagen. Sobald die ersten Flammen Herrn Gans erreichen, fängt er Feuer und beginnt zu brennen. Richtig zu brennen.

Das Ganze dauert ca. 120 Sekunden, die Zeit zum Kühlschrank, Bier rausnehmen und zurück.

Der Chronist entdeckt das aviane Autodafè in der Kochstelle, als die Flammen hinter der Metallplatte heraus schlagen. Er handelt mit bemerkenswerter Reaktionsfreude, steckt einen Spieß und eine Grillgabel in Herrn Gans und holt ihn aus dem Feuer. Dieser hat allerdings pyrotechnisch seine Unabhängigkeit erklärt und lodert weiter.

Bemerkenswerte Schnelligkeit ist eines, bemerkenswerte Dummheit das andere. Während der Chronist einen Vogel an zwei Metallstäben hält, aus dem 30 cm hohe Flammenzungen schlagen, ein nicht alltägliches Erlebnis, das vielleicht als Anregung für all die ewig gleichen Feuerjongleure auf den Mittelaltermärkten dienen mag, während er also mit einem lodernden Vogel dasteht, hat er nur einen Gedanken: Was tun?

Eine nachträgliche Erkenntnis: Das Naheliegende sollte immer wohl erwogen werden. Herr Gans war ungegrillt eine stattliche 5-Kilo-Person, und auch jetzt noch ist er lecker und fett, obgleich von beklagenswerter Schwärze. Aber Herr Gans ist keine Gans mehr, er ist ein Behälter für ca. 600 ml verflüssigtes, teils brennendes Gänsefett.

Ein halbgefüllter Wassereimer ist keine Lösung. Auch wenn der Gedanke naheliegt. Auch wenn der Eimer nahe steht.

Keine Lösung.

Wirklich keine Lösung.

Der gerade vergangene Juni war nicht der meine. In keiner Hinsicht, außer vielleicht einem überraschenden Erleben des Juli. Allein wie ich dazu kam, mitten im Monsun Sommer eine Weihnachtsgans zu grillen ist eine bedauerliche Geschichte, die mit guten Vorsätzen begann und vielleicht ein anderes Mal erzählt wird.

Andererseits: Wann haben Feuerwehrleute schon mal so richtig was zu lachen?

(Bullshit-Index: 0.1)

Dienstag, 21. Juni 2016

Tally-Ho, My Dearest Inbred Island-Monkeys!

Good riddance! Donnerstag ist uuuuuuh Brexit-Votum. Apokalypse in den deutschen Medien. Was tun wir, wenn der Engländer die EU verläßt? Naja, zunächst einmal die Schotten aufnehmen (Waliser und Nordiren, bekommt ihr auch schottische Gelüste?).

Ansonsten: Oh my god! Who the hell cares?! Wer sind wir, daß wir ein großes Drama veranstalten, wenn sich die Nordsee-Insulaner nachhaltig ins Knie f***en? Wir könnten doch auch wirklich mal froh sein, daß auf diesem Eiland was Nachhaltiges passiert.


  • Jaja, die Engländer sind Nettozahler der EU. Mit nicht mal 10 Mrd. Pfund pro Jahr. Verteilt auf die anderen zehn Nettozahler ist das mehr ein Witz.
  • Der Ausfall der "Industrieproduktion" Englands ist verkraftbar. Wirklich. Wir können auch ohne Schafswolle oder Waffenexporte, Und zumindest letzteres wird von uns Krautfressern und den fröschewürgenden Nachbarn ohne Probleme aufgefangen werden.
  • Der Finanzplatz London lebt von seiner Einbindung in die EU. Dessen Entwicklung zu beobachten wird lustig sein: Die größte Finanzhaifestung und Steueroase der Neuzeit wird abgenabelt. Hassard!
  • Allenfalls die Symbolik für die EU wäre grauenvoll. Da diese aber als politischer und vor allem demokratischer Verbund eh so gut wie nicht mehr existiert, ist da der Schaden wirklich symbolisch. Vielleicht wirkt so ein Schuß vor den Bug ja auch positiv.
So, die einzigen, die wirklich Schaden nehmen werden, sind die Engländer selbst (und wahrscheinlich ihre Insel) und die USA, deren wichtigster politischer Vasall in Europa wegfällt. Aber selbst das ist kein Problem, denn hierzuland stehen das Merkel, das Gauck (oder sein Nachfolger) und die ganze Kolonne der Transatlantiker schon Gewehr bei Fuß, diese Lücke zu füllen.

Die einzigen, die verlieren werden, sind die Engländer selbst (das wollten sie dann so, muß man respektieren) und einige Vollsparren, die sich im Brexit-Sog an der Börse verzocken werden (dito).

So - Who the hell cares?

(Und im Übrigen bin ich sowieso der Meinung, daß sie am Ende noch den Schwanz einziehen werden. Können sie ja bis zum letzten Tag noch.)


Samstag, 11. Juni 2016

Snobbish Geeks

SL: In den Schüsseln, die die Echsen vor euch stellen, winden sich Würmer, rote und schwarze.
S1: NAY GARG! Ich hau rein.
S2: PAGH!
SL: Ooohkay. Klingon ist jetzt die offizielle Echsensprache? Fein. Kann ich mit leben. Spieler 3 wie reagierst Du?
S3: (verwirrt) Aaaah. Ich könnte was in Aramäisch sagen.
S1: (angewidert) Geek!

(Lebenszeichen. Momentan bis über beide Ohren in Wasser, Seuche und Arbeit.)

Donnerstag, 26. Mai 2016

Klar spiel ich auch Nazis oder Der Teufel von Kahlenfurt

Anläßlich der Neuerscheinung Nazi Moonbase von Veteran Graeme Davis gab es in der Rollenspielercommunity auf G+ eine - letztlich erwartbare - Diskussion. Zusammengefaßt ist das Thema "Nazi im Rollenspiel" immer noch eine Bouncing Betty.
Und was, wenn diese Spielergruppe mit ihrer Gruppe an SS-Offizieren in ihren tollen Uniformen "spannende Abenteuer" bei der Jagd nach flüchtigen Juden erleben möchte? Es ist doch "nur eine Rolle", "nur ein Spiel".
Ist das eine berechtigte  Sorge? Ich würde das nicht erleben wollen, aber ich traue meinen Freunden soweit, daß es nicht dazu kommt. Falls doch: In dem Falle haben entweder meine Spieler ganz andere Probleme, oder ich hätte meinen Con besser nicht in einem Kameradschaftsheim in der sächsischen Schweiz veranstalten sollen (oder in Rheinhessen). Wirklich, sollte eine Gruppe so entgleisen, nur weil mal die schicken Uniformen von Hugo Boss ins Spiel geraten, sollte man ein Gespräch über sehr grundlegende Dinge führen. (Diese Diskussion auf G+ greift noch weitere Aspekte auf und ist durchaus lesenswert.)

Wenn man sich etwas mehr mit dem Ansatz des "Serious Gaming" befaßt (was ich seit ca. 2001 tue), kann man das durchaus auch ironiefrei angehen. Voraussetzung ist natürlich, daß zumindest der SL mehr Ahnung von der Materie III. Reich hat als Grundkurs + Guido Knopp + Wikipedia.

Dieser "Serious"-Ansatz wird - ungeachtet der behandelten Thematik - nicht überall begrüßt, wie auch Kontroversen um ein Szenario für Nip'Ajin zum GRT 2016 zeigten. Eine Diskussion die ich im Zusammenhang mit dem GRT verstehe, aber die stellenweise generelle Ablehnung solcher Themen eben nicht. Mir widerstrebt es, eine so vielschichtige mediale Form wie das Rollenspiel alleine auf den Popcornaspekt zu begrenzen. Da ist man in anderen Spielmedien schon weiter.
Für eine erste Ehrung kommt Spec Ops: The Line , das neue Computerspiel von Yager Development aus Berlin , knapp zwei Monate zu spät. Ende April wurde der deutsche Computerspielpreis für das beste Game 2012 an einen Egoshooter vergeben. Die Entscheidung sollte weniger die kulturelle Bedeutung des Spiels hervorheben, als vielmehr ein Zeichen gegen politisch motivierte Bevormundung setzen. Computerspiele sind schließlich auch Erwachsenenunterhaltung. Und die darf durchaus auch mal heftiger ausfallen. 
Serious RSP ist ein "Spiel" für Erwachsene, die wissen, worauf sie sich einlassen. Also überfalle deine mittwochabendliche Bier & Bretzel-Gruppe nicht unbedingt mit einem Schwergewicht.

Im folgenden gebe ich einen Überblick über das Szenario Der Teufel von Kahlenfurt, an dem ich im Moment nebenbei arbeite. Nachdem, was ich gelesen habe, kann ich mir vorstellen, daß viele bei einem solchen Szenario Bauchschmerzen bekommen, und mich würde interessieren, warum.

Der Teufel von Kahlenfurt

Veranschlagte Spieldauer: 3 x 8 Stunden. (Ich bevorzuge lange Sitzungen bis 16 Stunden.)

Zeit: Winter 1938/39, ein halbes Jahr nach dem Anschluß Österreichs

Ort: Das Bergdorf Kahlenfurt. Es liegt abgelegen in Kärnten nahe der Grenze zu Slowenien im Königreich Jugoslawien und hat etwa 500 Einwohner plus ein Dutzend verstreut liegender Gehöfte.

Regelsystem: Agnostisch, aber eher nichts für Türstopper wie D20 Modern. Die Betonung des Szenarios liegt in den sozialen Konflikten, die möglichst frei und ohne Verregelung ("Social Combat") ausgespielt werden sollten. Risus fällt mir als geeignet ein, ich persönlich würde Savage Worlds Vanilla nehmen oder gar einen Hack meines OSR-Klons.

Ebenso möglich, aber wegen der Systeme eben mit ganz anderem spielerischen Schwerpunkt und anderer Struktur, wären ein Hack von Dogs in the Vinyard oder PbtA.

Die Charaktere: Die Spielercharaktere erhalten Funktionen innerhalb des Szenarios, können aber ansonsten frei gestaltet werden. Wichtig bei der Ausgestaltung ist, wie sie mit dem Nazi-Regime umgehen. Sind die SC opportunistische Gewinner? Lehnen Sie es ab? Falls sie das System mögen, welche Aspekte gefallen ihnen: Die völkisch-patriotische Schiene, die fürsorgende Wohlfühldiktatur oder der Rassismus? Im Bergdorf beheimatete SC müssen auch ihre Beziehungen dort festlegen und können in Absprache mit dem SL NSC einfügen oder bestehende beeinflussen.

Idealerweise nehmen drei SC an dem Szenario teil, aber bis zu fünf sind möglich. 1) Der Dorfgendarm seit zehn Jahren im Dorf, 2) der Kieberer aus Klagenfurt, 3) der Forensiker und Pathologe aus Klagenfurt, der mit dem Kieberer kommt. Optional sind 4) ein zweiter Dorfgendarm und 5) der Arzt des Dorfes, der initial die Funktion von #3 hatte und dann mit ihm zusammenarbeitet.

Die beiden letzten sollten auch bei drei Spielern eingeführt werden, da sie als Ersatz-SC dienen können. Physische, auch tödliche Gefahr für die SC ist ein sparsames, aber wichtiges Element, da dann auch die Spieler Entscheidungen für ihre Charaktere anders treffen.

Der "Plot": Der Plot - obgleich komplex und spannend - ist eigentlich Nebensache. Er dient als Katalysator und wird vom SL genutzt, das Szenario zu strukturieren und den Takt beizubehalten. Die Ermittlungen der SC dienen dazu, die eigentlichen Konflikte im Dorf auszulösen und die SC vor Entscheidungen zu stellen.

Ausgangspunkt ist eine Variante von Hinterkaifeck. Die Bewohner eines der Einödhöfe werden niedergemetzelt aufgefunden. Die Kripo in Klagenfurt wird eingeschaltet und schickt ein Team. Während der Ermittlungen verschüttet eine Lawine die Straße und schneidet das Dorf vollkommen von der Außenwelt ab. In derselben Nacht werden die Bewohner eines zweiten Einödhofes niedergemacht, während die SC in der Vergangenheit des Dorfes zu wühlen beginnen...

Der Mikrokosmos: Kahlenfurt verfügt über etwa 60 ausgearbeitete NSC. Viele davon haben Geheimnisse, einige davon sogar "dunkle" Geheimnisse, d.h. Geheimnisse die sie in ernsthafte Schwierigkeiten bringen können. Die Ermittlungen der SC beginnen einige dieser Geheimnisse aufzudecken und andere zu bedrohen, d.h. es entwickelt sich eine wuchtige Eigendynamik, die durch das bestimmt wird, was die SC aufdecken und wie verschiedene NSC eben verschieden radikal darauf reagieren.

(Aside: In einem späteren Artikel gehe ich genauer auf die Gestaltung eines solchen Mikrokosmos ein und stelle ein System vor, mit dem sich so ein Setting schnell und einfach bauen läßt, vom Fantasy-Dorf bis zur Raumstation.)

Spielziel: Wie verhalten sich die SC? Der Rechtsstaat ist ja "nur" eingeschränkt, wenn es um bestimmte "Verbrechen" geht (politische Opposition, sexuelle Abweichung, "Rassenschande" etc.). Ansonsten funktioniert in diesen Jahren der bürgerliche Rechtsstaat durchaus noch, und nicht jeder Taschendieb wird zum Verhör in den Folterkeller geschleppt.

Aber prinzipiell haben die SC diese Möglichkeit. Wie weit gehen sie, um einen grausamen Mörder aufzuhalten? Wie gehen sie damit um, daß der Dorfschuster flüchtende Juden und Kommunisten nach Jugoslawien schmuggelt und Flugblätter im Keller druckt? Nehmen sie sich die "Verdächtigen" vor, die die verängstigten Dörfler als erstes anklagen? Den reisenden Kesselflicker, den Dorfdeppen, den Alt-Kommunisten, den Mann mit der jüdischen Großmutter? Wie weit nutze ich die systemische Rechtlosigkeit des Einzelnen, um dem Recht zum Sieg zu verhelfen und den Mörder zu stellen?

Das Szenario ist auch eine Exploration. Wie stelle ich mich zu meinen Machtmitteln? Wie bewältige ich die Differenzen zwischen Selbstbild und Fremdbestimmung durch meine Funktion innerhalb des Regimes, so vorhanden? Wie gehe ich mit den "Werten" dieser Zeit um? Was machen meine Entscheidungen mit mir, wie verändern sie mich?

Es soll ein wenig erfahren helfen, was es heißt, kleiner Funktionsträger in einem totalitären Regime zu sein, gleichzeitig als als Täter (wenn ich die Vollmachten dieses Regimes nutze)  und Opfer (Was passiert, wenn ich den Kommunisten laufen lasse?). Wichtig daher auch, daß der SL jede Form von "moralischer" Steuerung vermeidet, z.B. bei verwerflichem Handeln der SC Hindernisse aufbaut, die über eine logische Reaktion der Spielwelt hinausgehen. In der Tat kann es sein, daß robustes, aber moralisch fragwürdiges Vorgehen am ehesten zum Erfolg führt. Es geht auch um den Preis, den man dafür zahlt.

Brauchts denn den Nazi-Kram? Bedingt. Das Szenario kann auch ohne Probleme in die 1920er oder 1950er gelegt werden. Spannend ist es ohne Zweifel, aber es fallen dann die moralischen Zwickmühlen und die Werteverschiebungen raus, zumindest werden sie sehr viel kleiner. Homosexualität z.B. wäre eines der oben angesprochenen "dunklen" Geheimnisse. Für moderne Westler absolut kein Thema, landet man dafür den 1950ern zwar nicht mehr im Lager, aber eben immer noch im Knast.

Freitag, 20. Mai 2016

Holy Moses

Generalmajor Gadi Eisenkot
TLDR: In Israel gerät die Armeeführung mit der fundamentalistischen Regierung aneinander. Der Verteidigungsminister tritt heute zurück und Putschgerüchte schwirren in den Medien.

Hierzulande kriegen wir ja über Israel so gut wie gar nichts mit, da herrscht ein medialer Blackout ohnegleichen (dazu später noch ein paar Takte). Gelegentlich Bilder von Terroranschlägen und ein paar Eindrücke, wenn dort die (der?) Knesset, also das Parlament gewählt wird.

Ansonsten: Finsternis.

Jetzt hat sich in den letzten Tagen in Israel etwas entwickelt, was bei einem so wichtigen Land normalerweise zu längeren Berichten in den Hauptnachrichten führen müßte: Die Armeeführung der israelischen Streitkräfte IDF und die rechtsaußen / protofaschistische Regierung von Benjamin Netanjahu ("Bibi") liegen in einem massiven Streit, der nach einigen Beobachtern in einem Putsch enden könnte.

Der vorläufige Höhepunkt: Am heutigen Freitagmorgen ist der Verteidigungsminister zurückgetreten, aus professionellen, vor allem aber "moralischen Differenzen mit dem Premierminister" und dem Kabinett.
Ich kämpfte mit aller Macht gegen Erscheinungsformen von Extremismus, Gewalt und Rassismus in der israelischen Gesellschaft, die ihre Stabilität gefährden und auch in die IDF sickern.(...) Ich kämpfte mit aller Macht gegen Versuche, das Verfassungsgericht und israelische Richter zu schädigen, Trends, die als Ergebnis die Herrschaft des Gesetzes schädigen können und katastrophal für unser Land wären.
Er spricht davon, die "Extremisten" hätten "das Land übernommen".

Zuvor hatte sich der Minister hinter seine Generäle gestellt und ihnen erlaubt, ihre Meinung zu äußern. Dies erreichte eine erste Spannungsspitze, als am Holocaust Gedenktag (4. Mai) der stellvertretende Generalstabschef Yair Golan in einer öffentlichen Rede scharf mit den Zuständen ins Gericht ging.
Wenn es etwas gibt, was mich am Holocaust Gedenktag fürchten läßt, dann ist es die Betrachtung der abscheulichen Vorgänge, die sich in Europa und besonders in Deutschland damals - vor 70, 80 und 90 Jahren - ereigneten, und das Erkennen, daß sich Anzeichen davon bei uns finden lassen, im Jahre 2016.
Die Armeeführung ist stark beunruhigt über die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Mord in Hebron im Frühjahr, als ein Soldat vor laufender Kamera einen wehrlosen palästinensischen Gefangenen erschoss. Während die IDF-Kommandeure versuchen zu ergründen, wieso ihre Soldaten so handeln und eine Mordanklage vorbereiten, wird der Soldat von weiten Teilen der Bevölkerung quasi als "Held" gefeiert, nur so könne man mit Palästinensern umgehen.

Die korrekte Haltung des Kommandos in dieser Frage rief auch den Zorn hochrangiger Regierungsmitglieder infolge hervor. Mit Rückendeckung des Ministers indes hat Generalstabschef Eisenkot seit Amtsübernahme am 16. Februar d.J. den Chefrabbiner der Armee entlassen und begonnen, die Befugnisse der Armeerabbiner zu beschneiden, die einen ähnlich unheilvollen Einfluß in moralischer und taktischer Hinsicht auszuüben scheinen, wie weiland die Politkommissare in der Roten Armee. Auch eine neue Einsatzdoktrin wird ausgearbeitet, die Zivilisten schützen soll.

Das konnte und kann den Rechten in "Bibis" Kabinett nicht schmecken. So kochte der Konflikt hoch und gipfelte zunächst in der heutigen Demission des Verteidigungsministers. Putschgerüchte schwirren und die linksliberale Zeitung Haaretz rief die Armeeführung bereits vor einigen Tagen offen zum Putsch auf.
Wenn die Regierung Werte annimmt und kultiviert, die die Armeeführung als Bedrohung für die Existenz des Landes ansieht, und wenn die Öffentlichkeit, die die Soldaten der Armee stellt, verlangt, die IDF müsse sich korrumpieren und verrohen, dann steht die Armeeführung vor einem Dilemma. Sie muß entscheiden, was die größte Bedrohung für die Existenz des Landes darstellt: Sind es tausende Raketen und palästinensische Messerstecher, oder ist eine Regierung, die die Öffentlichkeit in ein Monster formt, das Israels grundlegende demokratische Werte zu verschlingen droht.
Und in den deutschen Medien? Alles ruhig. Ich halt mal ein Auge drauf.

Update 16:50: Während ich den Artikel geschrieben habe, hat auch die Tagesschau eine Meldung veröffentlicht (hier), heute schweigt noch, ebenso SPON und WELT.

Update 5:01 am 21. Mai: Bei uns (und im ORF) immer noch keine Infos, während der ehemalige israelische Premierminister und Verteidigungsminister Barak die Regierung Netanjahu offen als "Faschisten" bezeichnet. Da heiligt einer aber den Sabbath nicht.