Montag, 2. April 2012

Writing 101: Haupt- vs. Nebenfigur

(Das geht auch über RSP-Blogs.de, weil der Originalartikel am diesmonatigen Karneval teilnimmt. Dieser Beitrag geht aber mehr in Richtung kreatives Schreiben, weniger Abenteuerdesign.)

Es gibt wohl Verständnisprobleme bei meiner Festlegung von Nebenfiguren. Sorry, mein Fehler. ich habe falsch kontextualisiert. Im Original wird eine Geschichte angerissen und aus Sicht der Nebenfigur in Ansätzen wiedergegeben, was dazu führt, daß ihre Rolle größer wirkt als sie ist. Ich erfinde jetzt also den gesamten Kontext und reiche ihn nach, um die Unterschiede zwischen Protagonist und Nebenfigur deutlicher zu machen.

Pitchen wir zunächst einmal unseren kleinen, chauvinistischen Kriegsfilm. Ich hab genau die Zeit mit einem Produzenten, die er neben mir benötigt, ein Buffethäppchen zwischen seine schiefen Zähne zu schieben, also drei bis fünf Sätze. (I make this up as I go along, bitte die Ansprüche runterschrauben.)

Pitch: The Few
Krieg meißelt das Gesicht einer Nation und schmiedet ihren Charakter. Sie steht zusammen, oder sie fällt. Als 1940 die Luftwaffe dabei ist, England in die Unterwerfung zu bomben, ist Flight Captain Robert Cochran geradezu ein Symbol seines gespaltenen Landes, vergiftet vom Klassendenken, durchdrungen von Überheblichkeit. Erst als die Männer seiner Staffel sterben und England langsam in die Knie bricht, versteht er die Bedeutung von "One nation in the face of the enemy". Ein verzweifeltes Rennen beginnt, den Deutschen ebenbürtig zu werden...
Es ist ein Kriegsfilm mit geilen, harten Luftkampfszenen (und die sind auch die Hauptattraktion). Cochrans Rolle als Jagdpilot ist sehr prominent. Sein Hauptkonflikt ist im Pitch (England verteidigen) und seine notwendige Entwicklung auch (Klassendünkel ablegen). Die Entwicklung, die Handlungen und die Erlebnisse Cochrans tragen den Film. Neben den "gepitchten" Konflikten trägt Cochran noch weitere in sich. Zusammenfassend behandelt der Film:

  • Cochrans Agonie, daß seine Piloten sterben. Die Oberschichthaltung, Luftkrieg sei sowas wie Fuchsjagd, wird zerstampft unter den horrenden Verlusten an jungen, fröhlichen Burschen, deren Leben ausgelöscht wird. (Externer Hauptkonflikt: Defending Britain)
  • Diese Agonie resultiert auch aus der Unterlegenheit der vorhandenen Maschinen seiner Staffel, denn die Hurries sehen selten einen Stich gegen die Me109. Trotz seiner Ausbildung als Ingenieur scheint er machtlos. Wenn er nicht lernt, seine simplen Mechaniker mit ihrem Cockney ernstzunehmen, wird es ihm nicht gelingen, das Problem zu lösen (Interner Hauptkonflikt: Learn to stand united)
  • Hauptcharaktere benötigen auch ein Privatleben und einen Konflikt darin. In diesem Falle dreht er sich um Cochrans Oberschichtfrau, ein sensibles Geschöpf, das er behüten will. Sie indes will Rot-Kreuz-Dienst leisten. Sie setzt sich durch, und sie pflegt die zerfetzten Flieger und die Opfer der Bombenangriffe (Nebenkonflikt; illustriert die Bedeutung der Hauptkonflikte)
Soweit dreht sich alles um Cochran und die zentrale Aussage des Filmes: "One nation in the face of the enemy". Wo kommt nun unsere Nebenfigur George rein?

  1. Er illustriert als "Color" und sorgt für etwas comic relief.
  2. Sein Verhalten ist Kommentar und verdeutlicht dadurch die Konflikte der Hauptcharaktere.
  3. Auf seine Person projiziert können wir Cochranes Wandlung und ihre Bedeutung (Sieg) nachvollziehen.
  4. Entscheidend ist daher nicht George's Idee, wie man die oben offenen Ölrinnen der Hurries dichten kann, sondern Cochrans Fähigkeit, dies als mögliche Lösung anzuerkennen.
  5. Cochrane vollendet seine Wandlung im Charakter (und symbolisch die Einigung der Nation), als er und seine Piloten die Mechaniker am Schluß explizit in die Ehrung einbeziehen.
George hat keine eigenen Konflikte (dürfte er zwar haben, aber diese wären nachrangig, z.B. sein Mühen tägl. frische Milch zu bekommen), sondern ist immer Folie für Cochran. George durchläuft auch keinen großen Wandel. Zu Beginn verabscheut er Cochran, später arbeitet er mit ihm zusammen, aber eben nicht aufgrund eigener Veränderung, sondern aufgrund von Cochranes Wandel. George ist eine Nebenfigur, er unterstützt Protagonist und Handlung (daher "supporting cast"). Mehr nicht.

Nach all dem Chauvi-Gerassel haben wir uns aber was zum Ausgleich verdient: Don't mention the war.

P.S.: Falls irgendein Produzent lockeres Geld in Schweiz liegen hat: Ich schreibe auch noch einen deutschen Staffelführer rein (Spiegelbildkonflikt), und der darf dann gerne mit Till Schweiger besetzt werden...

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