Mittwoch, 5. August 2020

TSR-Klassiker: Der Tempel des Todes des Herrn der Wüstensöhne.

Wird Zeit, wieder produktiv hier zu sein, und weitere TSR-Klassiker vorzustellen (die komplette Liste findet sich hier). Heute gibt es eine Doppelrezension der Module X4 Herr der Wüstensöhne (Master of the Desert Nomads) und X5 Der Tempel des Todes (Temple of Death) von David Cook, erschienen 1981 (deutsch 1983). Beide zusammen ergeben ein großes Sword&Sorcery-Abenteuer, das sich spielt wie eine Pulp-Saga, was bei den alten BEAM-Modulen häufig der Fall war.
Zu den Waffen!! Die Schlachtreihen formieren sich und menschliche und unmenschliche Wüstenstämme warten auf das Zeichen um über die reichen, fruchtbaren Lande des Ostens herzufallen. In allen zivilisierten Ländern erschallte der Schlachtruf und Armeen wurden ausgehoben, um den Invasoren von Westen entgegenzutreten. Adel und Volk stellen sich gemeinsam dem Feind entgegen.

Aber Schicksal oder Glück haben einer kleinen Gruppe eine andere Rolle beschieden: Keine ruhmreichen Banner wehen über ihrem Marsch, keine Ritterscharen werden auf ihr Zeichen vorstürmen. Sie werden den Krieg mit Heimlichkeit und Verschlagenheit führen und große Risiken eingehen müssen. Das Schicksal beider Seiten lastet auf ihnen.

Für eure Gruppe beginnt es des Nachts, weitab des Schlachtfelds. Ihr werdet überraschend mit der gefährlichsten Mission des Krieges betraut. Schafft ihr es, die Sind-Wüste zu durchqueren, die jetzt in der Hand des Feindes ist, und den Großen Pass zu finden? Könnt ihr denjenigen finden, den man nur als den "Meister" kennt? Und was dann?
Dann wollen wir mal.


Das Material

Zwei schmale Hefte zu je 32 Seiten im Pappumschlag, der wichtige Karten enthält. So ein Heft hat damals DM 19,50 gekostet. Neben Abenteuern und Karten finden sich auch einige neue Monster darin, u.a. der „Juggernaut“, eine autarke, magische Kriegsmaschine (siehe Coverbild oben). Juggernaut ist verdammt doof zu übersetzen, aber der Übersetzer behilft sich mit einer phonetischen Umschreibung: Dschagganath. Merk ich mir. X5 wurde von Lutz Reimers übersetzt, der später für den Laurin-Verlag  hervorragende MERS-Übersetzungen anfertigte. X4 wiederum hat damals Reinhold H. Mai übersetzt, der neben einer Menge D&D-Zeug auch Traveller eindeutschte und am DSA-Ausbauspiel mitarbeitete. Beide arbeiten grundsolide, auch wenn ich mir etwas mehr Schwung in Mais Übersetzung gewünscht hätte. Die Illustrationen in X4 sind adäquat, die in X5 von Timothy Truman sehr schön, auch die Cover gehören zu den besseren der BEAM-Module.

Das Abenteuer

Der geheimnisvolle „Meister“ von Hule hat die Wüstenstämme geeint und führt sie in einen Krieg gegen die Republik Darokin. Die SC stoßen zum Heerlager, aber zu spät, und so verbleiben sie bei der Nachschubkolonne. Dann trifft ein Bote ein, der eine ungenaue Karte mit sich führt und der den Charakteren den Auftrag gibt, den „Tempel des Todes“ zu suchen, um den „Meister“ zu vernichten. Durch Wüste, geheimnisvolle Bergklöster und feindliche Städte kämpfen sich die SC zum Endboss vor.

Wie es sich spielt (Spoiler!)


Wir waren damals, 1984, mit Feuer dabei. Wildnisabenteuer waren noch immer die Ausnahme, ebenso die Epik des Geschehens. Hinzu kam etwas Besonderes aus der Zeit: Es gab keine Settingbeschreibungen, außer denen in den Modulen. Für uns war die Welt, die wir betraten, ein großer, weißer Fleck auf der Karte, vage umrissen von einigen Gerüchten und einer ungenauen Karte (die unser DM als Handout anfertigte, da sie dem Modul nicht beiliegt). Jeder Schritt führte uns und unsere SC weiter ins große Unbekannte.

Die Abenteuer sind eine Kombination aus Hex-Crawl und verschiedenen Abenteuerorten wie versunkene Tempel, Bergklöster und Städte. Damit die Spieler bei aller Freiheit auch schön auf Spur bleiben, betreibt Cook Trailblazing durch feststehende lenkende Ereignisse, die eintreten, wenn die Zeit gekommen ist. Das war damals noch ziemlich neu, und wenn der DM sich nicht gerade ganz doof anstellt, fällt das niemandem auf, ist also vertretbar.

Die beiden großen Hex-Crawls sind die Wüste Sind (X4) und das Land Hule (X5). Gerade letzteres ist mal wieder ein Beispiel der herausragenden Textökonomie der frühen Module. Auf einer Seite wird die komplette Kultur präsentiert. Mehr als diese Seite braucht es nicht, damit der DM versteht, wie sich dieses theokratische Regime, das vage an Scharia-Staaten erinnert, anfühlt, wie es am Tisch zu präsentieren ist. Die Beschreibungen der Begegnungen und Locations bieten ebenfalls alles, was der DM braucht. Einer Begegnung mit 100 Wüstenräubern beispielsweise hat Cook ein taugliches, schnelles Gruppenkampfsystem spendiert.

Der vielleicht beste Schauplatz ist die Abtei des Bösen. Einst Hort weiser Mönche wurden diese von gestaltwandelnden Monstern (Bhuts) vernichtet, die nun das Kloster in falscher Gestalt bewohnen und selbst wiederum von einem Frostsalamander bedroht werden. Die sich daraus ergebenden Ereignisse sind mir als eines der Highlights der Kampagne in Erinnerung geblieben. Auch hier läßt der Designer den Spielleiter nicht im Stich und erklärt ihm, wie sich diese Begegnung entwickeln könnte.


Das Schlußdungeon ist der titelgebende Tempel des Todes, in dem der „Meister“, umgeben von Dutzenden Unterlingen und einigen anderen Kreaturen, seinen Unterschlupf hat. Mit Gemetzel kommt man diesen bei Gegnerzahlen, die außerdem noch intelligent vom DM gespielt werden sollten, definitiv nicht weit, List und Tücke sind gefragt. Und wenn die Gruppe den „Meister“ schließlich gefunden, gestellt und besiegt hat, ist es noch nicht ganz vorbei. Wir hatten damals einen recht dicken möglichen Hinweis links liegen lassen und wurden vom Schlußtwist böse auf dem falschen Fuß erwischt. Wir hatten bis dahin keinen SC verloren; hier starben dann zwei Stück.

Fazit

Auf 64 Seiten bietet David Cook eine epische und abwechslungsreiche Kampagne mit Gefahren an jeder Ecke. Cook und Moldvay waren die beiden Entwickler des frühen D&D, die sich am direktesten der Topoi und Klischees der Pulp Fiction bedienten. Auch hier wieder: X4 und X5 sind ein glasklares Sword & Sorcery-Abenteuer, das seine Anleihen aber oft auch noch mit einem Twist versieht.

Die Kampagne fordert die Klinge ebenso wie den Verstand – gewalttätiges Vorgehen ist oft die schlechteste Möglichkeit, zumal für den unteren angegebenen Stufenbereich (6-7) einige Kämpfe mehr als knackig ausfallen und nur schaffbar sind, wenn die Gruppe effizient zusammenarbeitet. Cook gibt bei den wichtigen Kämpfen dem DM auch taktische Hinweise, was sehr willkommen ist.

Die Darbietung ist zwar etwas textwüstig, aber die Sprache ist klar und präzise auf den Punkt. Für einen erfahrenen und flexiblen Spielleiter sind nicht viele Vorbereitungen nötig. Aufmerksam Lesen und einige Notizen sind völlig ausreichend. 

Der „Herr der Wüstensöhne“ kehrt zurück in X10 Red Arrow, Black Shield.

Bullshit-Index: 0,11

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich freue mich, hier wieder Rezensionen lesen zu dürfen! :)

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