Sein Kind-Ich herauszulassen macht manchmal furchtbar Spaß.
Unsere Gegend ist "radwegetechnisch" hervorragend erschlossen und landschaftlich einfach wunderschön, tiefste Nordpfalz eben. Das bedeutet leider auch, daß im Sommer eine besondere Pest über unsere Gegend hereinbricht. Herren zwischen 25 und 45, ungeachtet ihrer Jahre "gesetzt" und zumeist kahl rasiert auf dem Schädel (auch eine Unart die mir keiner erklären kann), pressen ihre Körper in Lycra-Wurstpellen, hauen sich Designer-Sonnenbrillen in die verkniffenen Gesichter und röcheln, unter Helmen schwitzend, durch unsere Berge, um durch freudlosen Verschleiß schneller zu altern.
Soweit wäre es allenfalls unappetitlich. Nun muß man als Radfahrer bei uns die schnellen, aber unübersichtlichen Wege auch mit allerlei Wanderern teilen, Menschen die Beeren pflücken, Hunden, Kindern und dem jeweiligen Aufsichtspersonal. Dazwischen der eine oder die andere Senior/in im Rollator oder Rollstuhl.
Man muß nicht langsam sein, das sage ich mit durchschnittlich 450 km pro Monat und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 24 km/h auf dem Bike, man muß aufmerksam sein. Die Denkmurmel nutzen, Sichthindernisse und ähnliches beachten. Rücksicht nehmen.Vorausdenken.
Daran scheitert es offenkundig, wenn man, im Lycra schwitzend wie ein Fleischklops im Streckverband, durch die Gegend rödelt. Vielleicht sind es die Helme bei dem Wetter. Muß heiß sein. Elementare Höflichkeit? Jeder 3er BMWler, jeder Turbogolfer hat mehr Respekt vor seinen Mitgeschöpfen. Höfliche Ansprache? Bringt nix, absolut nix, außer Beleidigungen.
Es sind - ich schließe die eine oder andere Ausnahme mal als nicht unmöglich hier aus - in ihrer Gesamtheit dumme, kleine Wixxer. Muß man so sagen.
Besonders widerwärtig sind diese Hobbyfahrer, wenn sie in Rudeln auftreten und sich vorstellen sie seien bei der Giro D'Italia oder einem anderen Doping-Festival. So wie heute. (Jetzt kommt der Teil, wo ich pubertiere). Auf dem Hinweg war mir die Blase, ca. zwei Dutzend, schon aufgefallen, weil sie schreiend ein paar spielende Kinder an den Maisfeldern, der jetzt wunderbar hoch steht, verscheucht hatten. Meine freundliche Ansprache mit dem Hinweis, dies sei kein reiner Radweg, hatte den üblichen Erfolg. Ich schenke mir den Wortlaut des Pelotonführers. Für eine Anzeige hätte es gereicht.
Auf dem Rückweg traf ich sie wieder. Sie radelten gemächlich vor mir her. Der Weg? Frei. Gaaaanz frei.
Ich trage kein Lycra. Aber mein Bike (Alberich) ist vom Feinsten. Hiho Silver! und mit gedanklichem Gruß an Stephen King die Gänge hochgeworfen, angetreten und mit demselben Gebrüll, daß diese Herren (und eine Dame) ihren Mitmenschen pflegen angedeihen zu lassen, von hinten durch. "Aus dem Weg, ihr Schnecken!!"
Ich sagte schon, ich pubertierte. Heftig Aber ich hatte Freude dran und habe sie auch jetzt noch. Wer das nicht versteht, hat noch nicht gesehen, wie so ein Volldepp ohne Klingel, ohne Ruf von hinten mit 35 km/h und mehr in eine Familie brettert. (Das war eine ähnlich befriedigende Geschichte am Ende).
Natürlich war es hier nicht vorbei, hatte ich auch gar nicht erwartet. Der komplette Pulk trat hinter mir in die Pedale. Ich nehme an, ich habe die Ehre verletzt oder so (Ey Du! Überholst Du misch?! Guckst Du meine Bike an?!). Schnelle Straßenräder nehmen rasch Fahrt auf, aber ich kenn unsere Wege, ich kann die blind fahren, und konnte meinen Vorsprung über den entscheidenden Kilometer halten. Aber sie waren nahe, ich gebe das zu. Vielleicht zehn Meter.
Jetzt kommt der Teil mit der Voraussicht.
Man sollte wissen, daß hinter der kleinen Brücke über den Fluß, in diesem unübersichtlichen Waldabschnitt, wo der Weg auf verlockender Senke nach Westen biegt, nun ja, man sollte wissen, daß da eben eine Schranke ist. Falls man das weiß, kann man gerade noch rechtzeitig aus voller Fahrt (an diesem Punkt Dank der scharfen Senke ca. 45 km/h) abbremsen und kommt mit 30 km/h gut durch.
Falls man das nicht weiß und im Pulk um die Ecke schießt, zeigt es die vorhersehbaren Ergebnisse. Scheibenbremsen und Helme verhinderten erwartungsgemäß ernsthafte Verletzungen.
Brutal? Ja. Gemein? Ja. Aber gezwungen hat sie zu diesem Verhalten niemand. Freier Wille und so. Auf unbekannten Wegen sollte man eben vorsichtig fahren. Im Ergebnis um die zwanzig Leute, deren mentale Reprogrammierung es jetzt unwahrscheinlicher macht, daß sie möglicherweise Kinder zu Krüppeln fahren. Anders, das hab ich in den Jahren, in denen ich diesen Radweg nutze, gelernt, anders kapieren die das auch nicht. Schmerz ist Unwissenheit, die den Körper verläßt.
Nehmt Rücksicht. Hört auf die höflichen Hinweise der Eingeborenen. Tut ihr das nicht, wird euch die Schranke holen.
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