Montag, 7. Juli 2014

Helau und Alaaf. Karneval. Teil II.


Auf, auf zum zweiten Teil des diesmonatigen Karnevals Lebendige NSCs - wie man Figuren Tiefe verleiht. Mein erster Teil zum Karneval findet sich hier.

6. Haupt- und Nebenrollen unter den NSCs: Wie verdeutliche ich die Unterschiede (oder ist dies überhaupt notwendig)?

Nee, ist nicht notwendig. Das Spiel im Fluß es ist. Der Statist vom Charakter sich trennt. Organisch das geschieht. Man muß und sollte auch nicht alles intellektualisieren.



7. Hilfe, meine Spieler nehmen mich/das Rollenspiel nicht ernst! - Das Problem der Interaktion

„Please note that the horny bard does not represent our group.“

Japp. Altbekanntes Problem. Die Spieler benehmen sich gegenüber den ach! so wichtigen NSC wie die Axt im Walde. Das macht es dem SL noch schwerer, glaubhaft zu interagieren und darzustellen.

Was sich bewährt hat: Die SC werden genauso behandelt, wie man eben jemanden behandelt, der sich „daneben benimmt.“ Sie beleidigen einen mächtigen, hochgestellten Priester? Göttliche Ungnade für ein, zwei Sessions kann verdammt unangenehm sein („Heute würfelt ihr jede Probe mit 1W12 statt mit 1W20.“ - „Warum denn das?“ - „Fragt doch euren Waldläufer hier.“). Sie wanzen den örtlichen Feudalherrscher an? Schau wie kalt der Kerker ist.

Handlungen haben Konsequenzen.

„Aber wenn sie den Auftrag des Barons nicht annehmen, habe ich kein Abenteuer für diese Session.“ Doch, hast Du. Es hat nur ein anderes Thema, nämlich „Ausbruch aus dem Kerker, bevor uns die frechen Zungen rausgeschnitten werden“. Wie stets ergebnisoffen.

Alles was geschieht, kann als Aufhänger für Spielhandlung dienen. Verwendest Du diese „Technik“ (bekannt als „Spielweltplausibilität“), wahre Augenmaß. Wenn die SC ein paar Dörfler beleidigen wird ihnen das zwar keine Sympathiepunkte bringen, aber kaum ernsthafte Konsequenzen zeitigen (vielleicht spuckt der Koch in ihren Eintopf).


8. Es sind zu viele! Wie organisiert man einen Überblick über eine große Anzahl an NSCs und wie stellt man dies den Spielern gegenüber dar?

Das alleine wäre einen vollständigen Beitrag wert. Überblick ist einfach; ich habe ein Dramatis Personae in alphabetischer Ordnung mit jeweils drei Stichworten (Funktion, Merkmal, Absicht). Dazu kommt in komplexen Szenarien eine R-Map.

Die Darstellung von in Horden auftretenden NSC-Individuen ist ein anderes Kaliber. Prinzipiell ist es zu vermeiden, die SC in eine Situation zu bringen, in denen eine NSC-Gruppe sie quasi totschwätzt. Hier werden die SC zumeist zu Statisten, und das kann nicht Ziel der Spielleitung sein.

Manchmal sind diese Szenen nur schwer oder gar nicht zu vermeiden. Die Helden empfangen vom Grauen Rat die Aufgabe, das Schwert von Tàr Medalantha zu bergen. Okay. Handle das kurz erzählerisch ab. Die SC haben hier nix zu tun, als respektvoll die hohe Verantwortung anzunehmen.

Wenn sie jedoch interagieren müssen – z.B. bei einer Gerichtsverhandlung – wird es etwas komplexer.

  • Körperhaltung, Körperausrichtung (links, rechts, oben, unten) und Stimmhöhe bringen etwas Varianz ins Spiel, deuten verschiedene Positionen im gedachten Raum an. 
  • Nutze die wichtigsten NSC als POV-Charaktere für die direkte Interaktion (direkte Rede, direktes one-on-one). 
  • Die anderen handle indirekt ab (erzählerische Zusammenfassung von NSC-Beiträgen wie „Salmyn ist nicht glücklich mit der Wendung der Ereignisse und erwähnt die Geschehnisse an der Alten Mühle.“). Auf diese Weise fokussierst Du auf das Entscheidende, betreibst Bildregie im Kopf.
  • Teile nicht beteiligten Spielern an der Szene (so es sie gibt) einen NSC zu, den sie darstellen, oder auch eine ganze Gruppe, wie z.B. die Geschworenen einer Verhandlung. 

Einschub: Caveat!

Der letzte Ratschlag - in Foren, Blogs etc. oft unreflektiert, fast reflexhaft gegeben - ist ein sehr zweischneidiges Schwert!

Zunächst einmal muß es dem Spieler natürlich möglich sein, den NSC darzustellen, d.h. es dürfen keine verborgenen Motive, Kenntnisse etc. vorhanden sein, die der Spieler nicht kennt. Noch wichtiger allerdings ist es, daß der Spieler den NSC auch in aller Konsequenz spielen will. Das illustriere ich am besten am Beispiel.

Die Große Schlacht(TM) von Licht und Dunkel(R) steht bevor. Die Orkheere sind im Anmarsch. Da ich keinen Bock hatte, eine Armee zu führen (ich kannte die Kräfteverhältnisse und Pläne beider Seiten), wurde flugs ein Spieler mit der Aufgabe betraut, die „Faust des Westens“ zu spielen, den Feldherren der dunklen Seite.

In der entscheidenden Session hatten wir einige Cutscenes ins Feldlager der Orks, wo alle anderen Spieler ebenfalls NSC-Rollen übernahmen, die machtgierigen Unterführer, den dämonischen Todwandler etc. pp. Diese Szenen erschienen als stimmungsfördernder Selbstzweck, waren es aber nicht. Sie waren eng verbunden mit den Plänen der Heldengruppe, einen Überraschungsangriff zu führen, von dem der Spieler der „Faust“ aber nix wußte; das war im Hausforum unter seinem Ausschluß geplant worden.

Sie hatten einen Heidenspaß daran, gingen sogar etwas über Bord; der Schamanendarsteller schmierte sich gar mit irgendwelchen roten Lebensmitteln als Kunstblut ein, als er das Kriegsritual stimmgewaltig durchführte (ein alleinstehendes Haus im Walde als Spielort hat so seine Vorteile). Als der Überraschungsangriff losging und die Spieler zu ihren Hauptcharakteren wechselten, erlebte der Spieler der „Faust“ einen sehr authentischen Moment, als seine ganzen Planungen in sich zusammenfielen. Alle anderen hatten das authentische Gefühl grimmer Freude, mit ihrer Kriegslist durchgekommen zu sein, ohne daß dies durch Würfel und/oder den SL entschieden worden war. Sie allein hatten es geschafft.

Gut geklappt. Die Übernahme der NSC korrespondierte mit den Wünschen der Spieler, diesen Angriff durchzubringen.

Etwas später in derselben Session – es schlachtet, metzelt, schreit – bahnt sich die Hauptkonfrontation an. Einige SC sind auf Drachen unterwegs, um die Entscheidung gegen Phaesicar, den mächtigsten aller Drachen zu suchen. Ich gab Phaesicar an einen an der Szene unbeteiligten Spieler, Powergamer und Regelfuchs. Er konnte es nicht über sich bringen, Phaesicar entsprechend seiner Fähigkeiten gegen seine Gruppe zu führen. Das mächtigste Geschöpf der Welt underperformte in dieser Schlüsselszene.

Was war geschehen? Der betreffende Spieler sah die Werte und erkannte sofort, daß - voll ausgespielt - Phaesciar eine sehr reelle Chance hatte, sechs Jahre Mühen, Anstrengungen, Leid und Schweiß der Gruppe zunichte zu machen. Der Spieler war – wie alle anderen – mit viel Herzblut an dieser Kampagne beteiligt und wollte unbedingt die Welt retten. Hier effizientes Spiel zu erwarten, das alles zunichte macht, war unglaublich dumm von mir.


9. Spielleiter und Spieler zugleich - Wie integriere ich als Spielleiter einen eigenen SC und wie grenze ich diesen von NSCs ab?

Da der SL immer auch Spieler ist, bevorzuge ich statt NSC für mich den Terminus Spielleitercharakter (SLC) für die Gesamtheit aller Charaktere, die er führt. Ein „eigener SC“ des SL kann daher nicht existieren. Was immer ein SL in die Gruppe patscht (aus welchen zweifelhaften Gründen auch immer) ist ein SLC wie jeder andere auch.


10. Dramatis Personae - Wer ist wichtig und wieviel Platz sollte diesen in einer Publikation gewidmet werden?

Noch eine kurze Antwort. Wichtigkeit richtet sich nach der jeweiligen Handlung (logisch) und kann daher nicht beantwortet werden. An Platz finde ich eine halbe Seite für Hauptcharaktere schon üppig. In der Regel sollte es für NSC, die innerhalb der vorgesehenen Handlung von Bedeutung sind, eine viertel bis drittel Seite tun. Auf was für Infos ich wert lege, findet sich in der Antwort zu #2 im ersten Teil des Karnevals.

(To be continued)

(Bullshit-Index: 0.13)



1 Kommentar:

Jan hat gesagt…

Schöner Artikel. Kommt nicht ganz an Teil 1 ran, aber da waren die Fragen auch noch grundlegender.

Zu 7.: Oder sie haben halt kein Bock auf hochtrabende Interaktion (müde, anstrengende Arbeitswoche, ...). Dann hilft auch kein Zwang, dann spieltman halt Hack n' Slay.

Zu 8.: Klasse Beispiel!

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