Das Faule-Sack-Tum(TM) meiner Spieler hat mir ja so manch sinnlos verbrachte Stunde erspart. Aber es hat eine häßliche Kehrseite: Sie sind auch settingfaul. Sie wechseln nicht gern das Setting. "Wir können Fantasy am besten", sagen sie.
Leid tut es mir dabei um meine American-Nitemare-Kampagne. Immerhin, die Auftaktabenteuer haben wir gespielt (3 Sessions): Die SC sind drittklassige Newshounds-for-Hire und sollen eine Human-Interest-Story über ein entführtes Kind produzieren. Wir sind in New York City, das Jahr ist 2007.
Ziel war es, doppel-, dreifachbödig mit Spiegeln und Tricks zu arbeiten. Sie kommen einer ganzen Entführungsserie auf die Spur, werden von der Regierung gejagt, von UFOS entführt, von schwarzen Helikoptern gehetzt, brechen in den Computer des Verteidigungsministeriums ein, einer der ihren ist ein von MKUltra ferngesteuerter Regierungsattentäter, der das selbst natürlich nicht weiß und per Telefon ausgelöst wird (mit der Ouverture zu Egmont und dem Stichwort "die mächtige Kakerlake"). In einem Showdown in einer Fruchtbarkeitsklinik in Tucson, Arizona (mit viel Blei, explodierenden Fahrzeugen und allem was dazu gehört) erfahren sie die grausame Geschichte hinter den Entführungen.
Das war Akte X in der Stallone-Fassung mit allem und scharf: Number Stations, Kornkreise, dem Alien-Hintergrund einer bekannten, sektierisch angehauchten Computerfirma und und und.
"Draußen" geht - quasi als Metaplot - die vertraute Welt des Jahres 2007 in Stücke. Präsident Bush fällt einem Attentat zum Opfer, Cheney wird Nachfolger, Araber werden von Homeland Security in FEMA Camps zusammengetrieben, Krieg mit Syrien steht vor der Tür.
Dabei habe ich soviele tatsächliche Ereignisse reingenommen wie möglich, um die Grenzen zwischen den Realitäten zu durchlöchern.
Ich scheue ja selten Aufwand, aber hier war es wirklich massiv: Jeden Spieltag eine neue gefakte CNN-Seite (siehe Kopfbild) mit aktuellen News, dazu atemlose Radioberichterstattung über den Mord an Bush, falsche Websites von Firmen, kryptische Anrufbeantworter, seltsame Hotlines, jede Menge Google Maps und Street View, eMail-Accounts.... es war alles da. Persönliches Highlights: Drei Tage, nachdem MSNBC-Anchor Keith Olbermann bei uns im Spiel gefeuert wurde, geschah es auch ziemlich überraschend in der Wirklichkeit.Unvergessen auch Jack Bauers Cameo als weichgespülter Walldorf-Pädagoge.
Und es hat gerockt. Aber es hat wohl auch verstört. Ein Spieler hatte absolute Schwierigkeiten "reinzukommen", da diese Welt zu nah an seiner ist, aber der "Blick hinter die Kulissen" mit seiner Realität nicht abgleichbar war. Es hat glaube ich nicht geholfen, einen italienischen Hausmeister zu spielen. Ein anderer legt die besten Sessions hin, die ich bis dato von ihm bekommen habe, entwickelt sich vom Mauerblümchen zum Gruppenface und hört danach leicht verstört auf (die Alien-Entführung war ziemlich anstrengend in diesem Fall). Ein Dritter schmiß schon nach der ersten Session das Handtuch (das hatte aber wohl eher private Gründe außerhalb der Gruppe).
Zwei haben es sehr gemocht, die hätten auch gerne weitergemacht, aber, naja. So spielen wir jetzt halt Fantasy. Naja, genaugenommen spielen wir eine kleine Deadlands-Kampagne im Fäntel-Trapping, so daß es eben statt guter und böser Rothäute Elfen und Goblins gibt.
Gespielt wurde Savage Worlds nach GRW mit drei oder vier zusätzlichen sozialen Talenten. Das wird aber eine volle Conversion mit einem neuen Bennie-Mechanismus, der es den Spielern erlauben soll, selbst wirre Theorien als Fakten zu setzen, solange sie nachweisen können, daß es dazu eine Seite im Internet gibt. Aber dazu ein anderes Mal mehr.
5 Kommentare:
Schade, das dein Konzept nicht angenommen wurde. Das klingt sehr, sehr spannend. Ich würde das sofort spielen!
Junge!
Wie geil! Bei dir würde ich sofort mitspielen wollen. Schade, daß deine Gruppe es nicht so gut fand. Ich find's toll.
und jetzt das:
http://www.heise.de/tp/artikel/44/44358/1.html
..also ich fands total geil :)
Fünf Jahre nach Veröffentlichung kommentieren... Herr T.P. aus M. - sind Sie das? :D :P
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